PR Odyssee 06 - Die Lebensboten
unbefristet geschlossene Ehen scheitern? Wie viele Frauen verlieren ihre Ehemänner, wie viele Männer ihre Frauen? Wenn es uns gelingt, diese fünfzig Jahre glücklich miteinander zu verbringen, haben wir schon ein Geschenk erhalten, das nicht viele Paare genießen können. Garantien gibt es auf Kühlschränke, nicht auf das Leben. Und unsere Liebe ist das Leben. zumindest für mich, und hoffentlich auch für Reginald.«
Pratton nickte zögernd. Irgendwie wirkte er in diesem gerundeten Raum der KAPORNE unpassend in seiner cremefarbenen Jacke, die aufgrund ihrer Materialeigenschaften niemals verschmutzte, den weiten, eleganten, grauen Hosen, den Stulpenstiefeln und dem dunkelbraunen Cape aus seidigem Stoff.
Er betonte stets, er habe seine Kleidungskombination farblich passend zum Aufenthalt in einer Wüste ausgesucht, nur eben nicht wie ein hemdsärmeliger Kolonist, sondern wie ein Entdecker mit der nötigen Prise Stil. Fran kam er allerdings vor wie ein mehr oder weniger begnadeter Schauspieler, der sich mit allen Mitteln profilieren wollte, auch mit Hilfe einer ausgefallenen Kleidung.
»Wenn man es so sieht«, gestand er ein. »Aber. hängt nicht irgendwie ein Schatten über euch, schon jetzt, ganz am Anfang eurer Beziehung?«
Fran warf ihr lockiges, dunkelrotes Haar zurück. »Hängt dieser Schatten nicht über uns allen? Schon im Augenblick unserer Geburt? Ist mit unserem ersten Atemzug nicht schon unser letzter beschlossene Sache? Selbst, wenn man über einen Zellaktivator verfügt, ist die Unsterblichkeit relativ. Überleg doch mal, wie Perry und Reginald sich fühlen müssen. Sie können ja immerhin auf die relative Unsterblichkeit hoffen, aber in einer Milliarde Jahren werden die Menschen nicht einmal mehr eine Legende sein.«
»Nun ja. eine Milliarde Jahre ist eine unvorstellbare Zeit, und es gibt immerhin noch Nodronen, die uns doch sehr ähnlich sind.«
Sie lachte leise auf. »Gezüchtet aus der Genbank eines Cairol-Roboters, eines Dieners der Kosmokraten. Aber immerhin eine sehr erfolgreiche Züchtung. Schon nach wenigen Jahrtausenden haben sie die Galaxis unterworfen, in der sie eigentlich gar nichts verloren haben. Wir Menschen müssen auf die Kosmokraten und ihre Bediensteten doch einen gewissen Eindruck hinterlassen haben, wenn sie es ausgerechnet uns zutrauen, einen Sternenschwarm auf den Weg zu schicken.«
»Hast du eigentlich Familie? Geschwister?« wechselte er abrupt das Thema.
»Vier. Ich bin das jüngste von fünf Kindern, bis auf mich alles Jungen. Mein Vater ist Musiklehrer und leitet eine kleine Schule in Atlan-Village, meine Mutter arbeitet als Exo-Kontakterin für die Solare Residenz und befindet sich die halbe Zeit über nicht auf Terra. Und du?« Eigentlich hatte sie >Warum fragst du?< sagen wollen, aber aus irgendeinem Grund wollte sie Pratton nicht in die
Enge treiben. Sie hatte ihn selten so ernst und nachdenklich erlebt.
Er zuckte mit den Achseln. »Meine Mutter lebt noch, sie wohnt in Neu-London. Wir haben allerdings keinen engen Kontakt. Sie dürfte sich frühestens in ein, zwei Jahren Sorgen um mich machen. Und falls wir bis dahin nicht in unsere Zeit zurückgekehrt sind, wird es uns wohl niemals gelingen. Es wird sich in den nächsten Stunden oder Tagen entscheiden, meinst du nicht auch?«
Fran nickte zögernd. »Wenn die Nodronen Vaaligo erst einmal unterworfen haben, werden wir ihnen früher oder später in die Hände fallen.« Nicht auszudenken, was sie dann mit uns anstellen, fügte sie in Gedanken hinzu, sprach es aber nicht aus.
»Dieser Schatten, von dem du gesprochen hast.« Pratton sah sie unverwandt an. »Wann hast du ihn zum ersten Mal gespürt? So richtig bewusst, meine ich?«
Sie überlegte kurz. »Vor zehn Jahren, seltsamerweise im Augenblick meines größten Triumphs. Als ich die terranische Stadtmeisterschaft im 400-Meter-Sprint gewonnen habe. Da war mir klar, dass ich solch einen Erfolg wohl nie wiederholen konnte. Dass ich in irgendeiner Hinsicht einen Höhepunkt erreicht, einen Gipfel erklommen hatte, der von nun an unerreichbar für mich war. So einen Sieg erringt man nur ein Mal. Danach ist es an der Zeit, abzutreten. Andere werden einem folgen, und in ein paar Jahren wird meine Leistung vergessen sein, nur noch eine Fußnote in einem Sportfachbuch.«
»Genau, wie die Menschheit einmal abtreten wird? Aber in einer Milliarde Jahren wird sie nicht mal mehr eine Fußnote sein.«
Fran streckte die Hand aus, zögerte, tat es dann doch, legte die
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