PR Odyssee 06 - Die Lebensboten
was er sonst noch über diese geheimnisvolle Substanz wusste. Als nicht synthetisch herzustellende Quarzform hatte Zheugir ein ungewöhnliches Silizium-Isotopenverhältnis: Es bestand zur Hälfte aus dem Isotop Si-30, das in der Natur nur rund drei Prozent des Silizium-Bestandes ausmachte. Während der Kristallaufbau einem normalen Raumgitter entsprach, konnte der eingelagerten Pseudomaterie zwar eine atomähnliche Feinstruktur zugewiesen werden, aber selbst exakteste Messungen erbrachten ein zwischen 208 und 513 schwankendes Atomgewicht.
In Abhängigkeit von dieser Pseudo-Masse variierte die natürliche Hyperstrahlung, weshalb von einer hyperenergetischen Vario-Konstanten gesprochen wurde. Sie war klar von jener zu unterscheiden, die sich durch äußere Anregung - konventionell und/oder hyperphysikalisch - ergab.
Kurz gesagt: Zheugir war extrem selten und damit auch extrem kostbar.
Und ausgerechnet hier, in dieser Station auf Sartaire, fanden sie Zheugir in solchen Mengen!
Ist das der wahre Grund für unseren Einsatz?, fragte sich Axx. Hatten die Statthalter der Zwillingsgötzen etwa von diesem Vorkommen erfahren und wollten es sicherstellen? Aber warum sollten sie den Noy, die die Drecksarbeit erledigten, dann eine so komplizierte Lügengeschichte auftischen?
Er hielt das für nicht sehr wahrscheinlich. Nein, dachte er, hier stimmt wirklich etwas nicht.
Ankya stand vor dem Quarz und betrachtete es mit großen Augen. Offensichtlich war sie ebenso verblüfft wie er.
Dann bemerkte sie ihn, oder spürte vielleicht nur, dass sie nicht mehr allein war, drehte sich zu ihm um und riss die Augen noch weiter auf. Mehr als nur Erschrecken spiegelte sich auf ihrem Gesicht.
»Was wird hier gespielt?« fragte Axx. »Wo sind die Roboter, die dich entführt haben?«
Ankya öffnete den Mund, doch kein Ton kam über ihre Lippen. Gerade noch rechtzeitig bemerkte Axx, dass ihr Blick von ihm abfiel und zur Seite glitt.
Er fuhr herum. Die rasche Bewegung ließ das Blut in seinem Kopf rauschen. Nur mühsam konnte er sich auf den Beinen halten.
Jurzka stand hinter ihm, die Hand zum Schlag erhoben.
Axx sah den Are'Sam an. »Ich habe den Oberbefehl«, sagte er.
Jurzka zögerte.
Die unglaubliche nodronische Disziplin, dachte Axx. Kein Nodrone wird während einer Schlacht die Nerven verlieren, kein Nodrone wird sich während eines Einsatzes gegen seinen Vorgesetzten wenden. Das ist das Credo unseres Volkes. Darauf musste er sich verlassen. Das war seine beste Trumpfkarte in diesem unwürdigen Spiel, das es jetzt zu beenden galt.
Jurzka holte aus und schlug zu. Axx ahnte die Bewegung eher, als dass er sie sah, und konnte sich noch zur Seite drehen, aber nicht verhindern, dass die Faust seinen gebrochenen Arm noch streifte. Der Schmerz ließ ihn fast ohnmächtig werden.
Er konnte nicht mehr reagieren, als Jurzka erneut ausholte und die Faust in seiner Magengrube versenkte. Er bekam keine Luft mehr, merkte, wie die Beine ihm den Dienst versagten, brach schließlich zusammen. Jurzka trat ihm in die Rippen, zog den Kombistrahler aus seinem Halfter und schob ihn mit dem Fuß weg.
Es geht hier nicht mehr um eine Befehlsverweigerung, wurde Axx klar.
Es geht um Ankya.
Klärt das später, wenn ihr es unbedingt klären müsst, hallte Duunills Stimme wie durch Watte gedämpft in seinem Kopf.
Jetzt war es so weit. Jurzka hatte eine Grenze überschritten. Er konnte nicht mehr zurück, würde die Peitsche von Nodro zu spüren bekommen, falls Axx die Befehlsverweigerung zur Sprache brachte.
Einer von ihnen würde den Kampf nicht überleben.
Wie aus weiter Ferne hörte er, dass Ankya etwas rief. Aber sie würde Jurzka nicht zur Besinnung bringen können.
Und ihn auch nicht.
Er spürte das Gewicht des anderen auf seinem Brustkorb, zwang sich, die Augen zu öffnen. Durch einen roten Schleier sah er Jurzkas Oberkörper, dann spürte er dessen Hände an seinem Hals.
»Nein«, krächzte er. So durfte es nicht enden.
Ich habe... Seine Gedanken flossen schwerfällig, behäbig. Der Schmerz war so groß, dass er nicht einmal sagen konnte, ob Jurzka ihn tatsächlich würgte. Ich habe schon früh gelernt...
Was hatte er schon früh gelernt? Tötungswerkzeuge... Waffenkammern... sich nicht nur darauf verlassen...
Jurzka zwängte mit dem Bein seinen unverletzten Arm an seinen Körper. Den gebrochenen vernachlässigte er. Ein Fehler. Der Schmerz konnte nicht noch schlimmer werden und wurde es auch nicht, als Axx den Arm ausstreckte und mit der
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