PR Rotes Imperium 01 - Die fossile Stadt
gesehen.
»Mein Freund hier…« Sie sagte es voll Stolz. »Er möchte sich umsehen. Habt ihr was dagegen?«
»Da… da müssen wir zuerst den Dives fragen«, stotterte einer der Männer. »Moment…«
Er drehte sich zur Seite und redete in sein Funky. Farashuu hätte ihn jederzeit belauschen können, verzichtete aber darauf. Zwei Minuten später erschien der Dives, der Leiter des Kiosks, ein dünner Mann, der eine auffallend große Nase im Gesicht hatte.
»Es ist mir eine große Ehre«, sagte er unterwürfig. Sie erwartete schon, dass er sich vor ihr verneigte oder vor ihr – noch besser – auf die Knie fiel. »Selbstverständlich steht es dir frei, die Schwarmlager und alle anderen Räumlichkeiten zu besichtigen. Darf ich dir den Weg zeigen?«
»Ja.«
Der Dives ging voran, die Treppen in den unterirdischen Teil des Gebäudes hinab, immer auf Distanz bedacht. Seine Hände zitterten, die Augenlider flatterten. Farashuu maß ungesunden Blutdruck und erhöhten Puls an; seine Nase rötete sich an der Spitze.
»Mein Begleiter heißt übrigens Perry Rhodan«, sagte sie, als sie den Vorraum zum Schwarmlager erreichten.
»Sehr interessant, sehr interessant«, murmelte der Dives. »Ist das nicht der neue Naiv-Clown der Schlagmich-Show auf Leyden Absurd?«
»Stimmt!«, mischte sich der Terraner ein. Er bedeutete Farashuu, es dabei zu belassen. Offenbar wollte er kein großes Aufsehen um seine Person.
Der Kiosk war alt. Man sah ihm an, dass der Vorbereitungsraum tagtäglich und rund um die Uhr genutzt wurde. Indux-Roboter verabreichten die notwendigen Injektionen an die Kunden des Kiosks. Männer und Frauen, Kinder und Greise – sie alle fanden sich hier zusammen, um zu schlafen. Um das Rote Imperium mit ihren Gedanken und Wünschen zu füttern. Um einen Traum aufrechtzuerhalten.
»Erklär Perry, was hier geschieht«, forderte sie. »Er stammt aus einer fernen planetaren Provinz und kennt sich nicht so gut aus.«
»Sehr gut, haha«, lachte der Dives gezwungen. »Er spielt den Naiv-Clown nicht nur, er ist auch einer.« Er räusperte sich; das Flattern seiner Lider hörte auf. »Hier werden die Menschen vorbereitet. Manche von ihnen wollen ein Schlafmittel, andere konsumieren Drogen, viele schlafen einfach so ein. Weil sie der Aufenthalt im Mentalen Symposion beruhigt.« Er deutete auf die Heerscharen von Indux-Robotern, die ihre Kunden in endlosen Reihen vom und zum nächstgelegenen Raum führten. »Dort befindet sich das Schwarmlager. Dieser Kiosk kann ungefähr fünftausend Menschen aufnehmen. Er ist damit einer der größten im inneren Bereich der Stadt. Folgt mir bitte.«
Der Dives hatte sich beruhigt, seine Körperwerte erreichten den Normstatus. Das Reden über sein Fachgebiet half ihm, seine Nervosität zu überwinden.
Sie betraten das Schwarmlager. Liege reihte sich an Liege, Mensch an Mensch.
Farashuu meinte sich zu erinnern. An das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein. Wieder ein Ungeborenes zu sein und im Fruchtwasser der Mutter zu treiben. Eingepackt in Glücksgefühlen, umgeben von Liebe, voll Vorfreude auf das kommende Leben. So schön war es, so schön…
»Derzeit sind knapp zwölfhundert Menschen angeschlossen.« Der Dives streichelte fast zärtlich über einen der Verbinder.
Farashuu erinnerte sich nun sehr genau an den weißen Helm mit seinem Innennetz, der neuronale Ströme erfasste, aufnahm, kategorisierte und die Grundstruktur der individuellen Denkimpulse an die Quantronik weiterleitete. Dort erfolgte die Zuweisung eines Platzes im gewaltig großen Heer der Teilnehmer am Mentalen Symposion…
»… die Quantronik sortiert und selektiert. Sie bringt Gedanken und Ideen zusammen. Macht, dass die Menschen gemeinsam träumen. Damit sie sich an Dinge wagen, die sie sich im Wachzustand niemals zutrauen würden. Sie entwerfen Kunstwerke, strukturieren den Staatshaushalt, feilen an neuen Technologien, singen Strategien herbei, tanzen so lange, bis sie ein mathematisches Problem gelöst haben.« Der Dives blühte nun richtiggehend auf. Er liebte und lebte seine Rolle, keine Frage. »Niemals ist ein Gedankenansatz derselbe, denn die Gesamtzahl der Teilnehmer am Mentalen Symposion variiert ständig. Ebenso rasch ändert sich die Zusammensetzung. Die Altersstruktur, die Einstellung der Menschen, ihr seelischer und geistiger Zustand. Es ist einerlei, ob jemand böse Gedanken hegt oder beste Absichten hat. Im Symposion herrscht Anonymität. Wir benötigen die Stimmen der Verrückten genauso
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