PR Rotes Imperium 02 - Requiem für Druufon
erste Ifama-Filiatin empfing den Lebensfunken. Nun erst war die Seelenabspaltung perfekt. Es war immer wieder ein erhebender Moment, wenn ein Filiat die Augen öffnete. Dies war der Augenblick, in dem Johari zum ersten Mal das Leben eines Filiaten spürte.
Die Filiatin erhob sich, und die grünliche Nährlösung floss über ihren nackten Leib. Sie schaute auf ihr Original ... und Johari sah sich selbst, im fremden und doch eigenen Bewusstsein. Optische Sinne und Gedankenübertragungen vermischten sich. Johari und ihre Filiatin ächzten gleichzeitig.
»S... sie ist ...«, hauchte das Original und atmete rascher. Ihre Lippen bewegten sich, doch kein Wort kam mehr darüber.
»Du wirst dich daran gewöhnen«, sagte Bavo.
Mühsam setzte sich Johari auf. Dass die Decke ihren nackten Oberkörper entblößte, schien sie nicht einmal wahrzunehmen. Warum sollte sie sich auch daran stören? Es gab nichts, das Bavo nicht schon oft gesehen hätte. Ihre Oberarme zitterten. »Das meine ich nicht. Ich bin ... sie ist... anders. Ihr Verstand ... die Gedanken ... etwas tobt darin.«
Diese Worte alarmierten Bavo. »Womöglich ist die Filiation nicht gelungen.«
Johari schwang die Beine von der Liege und fasste die Hand ihrer Filiatin. Beide schlossen die Augen, als müssten sie sich konzentrieren, um ihre Bewusstseine abzustimmen.
Bavo gönnte Johari diesen Moment der Ruhe. Er dachte an all die Velines-Krüppel, die er in den letzten Jahren getötet hatte. Missgeburten und psychisch Auffällige überlebten die ersten Stunden ihres Daseins nicht, denn Bavo sah keinen Grund, sie zu verschonen. Sie waren fehlerhaft, also galt es, keine Zeit mit ihnen zu verschwenden. Der Tod seines Sohnes Salesch vor mehr als zweihundert Jahren hatte ihm die Augen geöffnet. Der Prophet hatte sich bei ihm bedankt, weil er als sein Original die Entscheidung getroffen hatte, wie es ihm zustand. Alles andere war Narretei und Sentimentalismus.
Schließlich öffnete Johari die Augen. »Ihr Geist ist krank.« In ihrer Stimme schwangen Bedauern und Enttäuschung mit. Und Abscheu. »Sie wird mich in einer Kampfsituation nicht adäquat ersetzen können.«
»Wir erschaffen eine zweite Filiatin«, sagte Bavo. »Ich habe dich gewarnt, dass dies geschehen könnte.«
»Was geschieht mit ihr?«
Wir töten sie, wollte Bavo sagen, aber er dachte daran, wie lange er jeden noch so misslungenen Filiat für lebenswert gehalten hatte, weil er ihn als Teil seiner selbst angesehen hatte. Er durfte Johari nicht überfordern; es würde einige Zeit dauern, bis sie so weit war wie er. Außerdem konnte es ohnehin nichts schaden, in einigen Tagen die Nekropolis aufzusuchen und der Totenstadt-Zivilisation eine neue Bewohnerin zuzuführen - eine kleine Auffrischung des genetischen Pools.
»Es gibt den richtigen Platz für deine Filiatin«, sagte er deshalb. »Und jetzt, Johari, erschaffen wir eine neue, geeignete Stellvertreterin für dich.«
»Du wirst aber sterben«, sagte Siri Patollo. »Du bist nicht so schnell wie ich.«
»Das macht nichts«, erwiderte Johari Ifama.
Um sie herum saßen zwei Dutzend schwer bewaffnete Elitesoldaten. Sie hatten zwar den Vorteil, mit einer Wahrscheinlichkeit von über 95 Prozent den Mond Fiira zu erreichen - im Gegensatz zu den Truppen auf den meisten anderen Schiffen dieses Kamikaze-Einsatzes -, aber die Zeit nach der Landung würden sie wohl nicht lange überleben. Eigentlich schade um die Männer ...
Eine Stunde später erreichten immerhin zwei Leichte Kreuzer der terranischen Angriffstruppe den Mond Fiira. Kein schlechtes Ergebnis, obwohl Ifama auf drei Einheiten gehofft hatte. Es machte keinen Unterschied. Nur Siri zählte. Die restlichen Schiffe waren im All detoniert. Der Weg ins Siamed-System glich einem Tontaubenschießen, zumal Patollos Geheimdienst nicht die genauen Standorte aller druufschen Raumminen hatte ermitteln können. Es spielte keine Rolle - Johari hatte entsprechende Verluste eingeplant.
Als sich der Tag dem Ende zuneigte, wütete der Tod auf dem Druuf-Mond Fiira. Siri Patollo übertraf sich selbst. Die Filiatin selbst starb zwar im Abwehrfeuer der Druuf, doch Siri bekam ihren Tod nicht einmal mit. Die Kämpferin war ganz in ihrem Element aus Feuer und Explosionen. Die Stimme der Quantronik gab ihr Anweisungen, und sie verschmolz enger als je zuvor mit der Armierung. So eng, dass sie sich nie wieder von ihr würde lösen können. Ihr Geist war dem Tode geweiht, doch noch wusste sie es nicht.
Zur Morgendämmerung
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