PR TB 002 Der Große Denker Von Gol
Finsternis stand ein Schatten.
Automatisch registrierte Martin, daß seine Augen sich zum
Teil an die Dunkelheit gewöhnt haben mußten, wenn sie in
der Lage waren, einen Schatten wahrzunehmen. Aber das war nur ein
Gedankenreflex. In Wirklichkeit erfüllte ihn das finstere
Ungetüm, das da vor ihm stand, mit panikartiger Furcht. Er hätte
am liebsten geschrien und wäre davongelaufen.
Eine Minute lang standen sie einander gegenüber, zwei
schwarze Schatten in einer grauen Welt. Keiner von beiden rührte
sich.
Keiner konnte die Umrisse des anderen erkennen. Keiner von beiden
sah mehr, als daß da etwas vor ihm war.
Martin kam plötzlich ein Gedanke.
Er glitt zwei Meter weiter vorwärts. Der Schatten hob sich
ein Stück in die Höhe und glitt zurück. Martin erhöhte
seine Geschwindigkeit und holte den fremden Schatten ein. Er
versuchte, ihn mit seiner Klaue zu fassen. Der Schatten machte eine
abwehrende Bewegung; aber schon beim zweiten Versuch saß
Martins Klaue fest.
Mit der anderen Hand tastete er den Schatten ab. Er war seiner
Sache jetzt völlig sicher, auch wenn er immer noch nicht
deutlicher sehen konnte. Er spürte, wie seine linke Klaue eine
Art Seil zu fassen bekam. Er ließ das Seil durch die Klaue
gleiten und packte das knotige Ende. Er hielt sich das Ende gegen den
Helm, an die Stelle, die dafür bestimmt war, und sagte: „Welcher
Narr das auch immer ist… hör auf zu zappeln und sei ruhig. Ich
tu dir nichts!“
Die Bewegung in Martins rechter Klaue hörte augenblicklich
auf. Voller Staunen hörte Martin trockenes, heftiges Schluchzen
in seinem Empfänger, und dann sagte eine Stimme, die sich
offenbar am Ende ihrer Kraft befand: „Oh, Marty… ich… ich
wußte nicht, daß du es bist… !“
*
Er hatte also wenigstens Patty wiedergefunden.
Er beruhigte sie mit Worten, so gut es ging. Dann ließ er
sich von ihr berichten, was geschehen war. Pattys Bericht war
insofern enttäuschend, als er haargenau Martins eigene
Erlebnisse beschrieb. Es war Patty nicht anders ergangen als ihm, und
sie wußte ebensowenig wie er, wo Paul und Mark sich befanden.
Patty erklärte sich schließlich bereit, mit ihm
zusammen die unsichtbare Wand abzusuchen und festzustellen, wo sie
sich befanden und wie weit die Grenzen ihres Gefängnisses
reichten. Bei dieser Suche stellten sie fest, daß die
Energiebarriere einen Raum umschloß, der wie eine Konvexlinse
geformt war. Es gab zwei parallele, gerade Wände, die etwa
dreißig Meter voneinander entfernt waren, und zwei andere, die
sich symmetrisch gegeneinander wölbten, so daß der
merkwürdige Raum in der Mitte zwischen den beiden geraden Wänden
seine geringste Breite besaß.
Sie fanden außerdem heraus, daß es hier drinnen nicht
so dunkel war, wie sie zunächst geglaubt hatten. Wahrscheinlich
waren ihre Augen von der übergroßen Helligkeit draußen
geblendet worden und gewöhnten sich erst langsam wieder an
andere Lichtverhältnisse.
Mit den an das Dämmerlicht gewöhnten Augen entdeckten
sie schließlich auch die Gestalt,
die in einer Ecke des Raumes auf dem Boden kauerte und das Ende
eines Telefonkabels zwischen den zitternden Klauen hielt. Patty nahm
das Kabel und schloß es an die zweite Buchse ihres Helms an.
Über die Querverbindung konnte Martin verstehen, wie die
kauernde Gestalt mit zitternder Stimme fragte: „Seid ihr das…
? Um Gottes willen, gebt doch Antwort! Seid…“
Pattys spöttische Antwort fuhr dazwischen.
„Ja, das sind wir. Steh auf, Paul Finch, du Jammerlappen!“
Paul erhob sich. In Sekundenschnelle fiel alle Angst von ihm ab.
Er fing an zu reden, schneller, als man ihn jemals hatte reden hören,
und das wollte bei Paul Finch eine Menge heißen. Martin ließ
ihn eine Weile gewähren. Er konnte sich vorstellen, wie Paul
zumute war. Im übrigen war Pauls wirren Worten zu entnehmen, daß
es ihm nicht anders ergangen war als Patty und Martin und daß
er ebensowenig wie sie eine Ahnung hatte, wo Marcus Rattigan
geblieben war.
Paul war in dieser Ecke des Raumes zu sich gekommen, nachdem der
Schreck über das ungewöhnliche Erlebnis ihn halb ohnmächtig
gemacht hatte. Er hatte sich seitdem nicht gerührt und wußte
nicht, wo er sich befand.
Martin entschied, daß er nicht von großem Nutzen sein
würde, solange er sich von seinem Schock noch nicht richtig
erholt hatte, und trug ihm auf, in der Ecke sitzen zu bleiben, damit
er mit Patty zusammen die Erkundung des Raumes abschließen
konnte.
Sie nahmen sich die gerade Seite der Linse
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