PR TB 014 Die Nacht Des Violetten Mondes
einem Taschenbuch. Neben ihr waren mindestens
zehn Hocker frei.
Nicoline Terjesen.
Vorsichtig und sich ständig entschuldigend bahnte sich Toni
Cimarosa einen Weg durch die Menge. Er setzte sich auf den freien
Hocker neben das Mädchen, und der weißgekleidete Purser
hinter der Bar kam auf ihn zu. Eine Handbewegung hielt den Mann auf,
und Toni sagte halblaut: „Wenn ich Ihnen so widerwärtig
bin, wie es scheint, gehe ich lieber, Miß Terjesen.“ Sie
klappte das Buch zusammen, blickte auf und sah ihm ins Gesicht.
Er hielt ihrem Blick stand, zwanzig Sekunden dauerte das
Schweigen.
„Setzen Sie sich wieder“, sagte sie. „Es gibt
Schlimmeres. Bitte - noch einen Kaffee!“ Der Mischling nickte.
„Zwei!“ verbesserte Toni, „und einen Calvados.“
Bis der Mann hinter der Bar die Getränke brachte, schwiegen
sie beharrlich. Dann brach Toni das Schweigen.
„Sie finden mich natürlich höllisch widerlich und
so“, sagte er und bot ihr eine Zigarette an. Sie zog eine aus
dem Etui heraus und betrachtete lange das Monogramm auf dem Papier.
T. C.
„Sie taten ja alles“, sagte sie, nachdem er ihr Feuer
gegeben hatte, „um mich völlig zu verzaubern.“
„Sie haben recht“, antwortete Toni und lächelte.
Dieses Lächeln schien dem Mädchen Nicoline neu zu sein,
denn sie betrachtete ihn mit geradezu wissenschaftlicher Neugier. Sie
sah einen gutaussehenden Mann mit einer weißen Narbe quer über
der rechten Wange, mit blauen Augen und kurzgeschorenem,
dunkelbraunen Haar. Alles in allem, war Anthony ein anziehender Mann,
trotz allem, was vorgefallen war.
„Ich werde Ihnen gelegentlich einen Farbabzug schicken“,
versprach er und rührte im Kaffee herum, nachdem er den Calvados
hineingeschüttet hatte.
„Ich werde ihn rahmen“, antwortete sie. „Und in
meiner Praxis aushängen. Ich habe zuviel Kunden, vielleicht
schreckt das ab.“
„Sie sind Psychiater?“ fragte Toni sarkastisch.
„Warum glauben Sie das?“
„Kombination. Assoziationskette über Keegy zu Ihnen.“
„Nicht schlecht“, sagte sie. „Ich bin Doktor der
Medizin.“
„Ich bekomme immer mehr Achtung vor meinen Fähigkeiten“,
sagte Toni und lachte laut. Ein erstaunter Blick begegnete ihm;
gestern nacht erst hatte ihn D’Arcy so angesehen.
„Sagen Sie...“, begann Nicoline, „warum herrscht
eigentlich dieser mordsüchtige Zustand zwischen Keegy und
Ihnen?“
„Privatsache“, antwortete Toni kurz und hörte auf
zu lachen.
„Wir sind nicht mehr in den Jahren der großen
Ritterspiele“, sagte Nicoline nachdenklich und sah zu, wie
einzelne Tropfen vom Löffel in die Kaffeetasse fielen und dort
Ringe auf der Oberfläche zauberten. „Damals duellierten
sich erwachsene Männer bis zum Tod, wegen irgendwelcher
Lappalien. Können Sie mir nicht sagen, warum Sie Keegy umbringen
wollen?“ „Es steht geschrieben in der Sure des Löwen“,
sagte Toni, „daß ein Feigling keine Ruhe
finden und wiedergeboren wird in einem Hund. Und ein Mann, der
einmal feige war, wird seinen Schild nie wieder zum Glänzen
bringen - so steht es geschrieben.“
„Gute Allgemeinbildung“, sagte Nicoline.
„Schweizer Internat“, antwortete Toni.
„Trotzdem - warum ist Keegy in Ihren Augen ein Feigling?“
„In Ihren Augen keiner?“ fragte Toni aggressiv zurück.
Das Mädchen schüttelte den Kopf, und es fiel Toni schwer,
sich von dem Anblick der Haare loszureißen.
„Nein“, sagte sie. „Seit zweieinhalb Jahren ist
Randolph Keegy nichts mehr, das entfernte Ähnlichkeit mit einem
Mann hat. Er schläft nur noch mit Tabletten, hat Angst vor
Mädchen und ist nur noch krampfhaft ich betone dieses Wort -
bemüht, vor Ihnen und seinem Gewissen zu bestehen. Er war einmal
der höchstdekorierte Offizier seines Jahrgangs aus Terrania.“
„Ich weiß es. Er war schon gut, als er in meiner
Klasse saß“, antwortete Toni.
„Sie beiden haben voreinander eine gewisse Achtung. Warum,
bei allen Sternen, bekämpfen Sie sich eigentlich?“
„Das werden Sie niemals verstehen“, sagte Toni und
bestellte noch einmal zwei Tassen Kaffee und ein Glas. „Es ist
schon für mich unverständlich.“
„Beichten Sie“, munterte ihn das Mädchen auf.
„Los!“
„Nur, wenn Sie eine Gegenfrage ehrlich beantworten...“,
sagte Toni. - „Sicher. Fragen Sie ruhig.“
„Wie würden Sie mich charakterisieren, wenn man Sie
darum bäte. Ehrlich - ich bitte Sie darum, und
Unliebenswürdigkeiten bin ich gewohnt.“
Nicoline Terjesen überlegte eine halbe
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