PR TB 030 Der Schlüssel Zur Anderen Welt
zu täuschen, ging Guy Nelson bis zum
Ende des schmalen Ganges - und wandte sich dort blitzschnell um.
Das Folgende ereignete sich mit der Schnelligkeit eines Reflexes.
Guy sah einen schmalen grauen Tentakel aus dem untersten Regal ragen
und zuckend über den Boden wischen. Bevor er den Anblick bewußt
verarbeiten konnte, hatte er schon den Schockblaster gezogen und
abgedrückt.
Die Energieentladung krachte hart und kehrte als rollendes Echo
zurück. Der Tentakel zuckte noch einmal, dann streckte er sich
steif und rührte sich nicht mehr.
Erst jetzt verarbeitete Guys Bewußtsein die verschiedenen
Eindrücke. Er erkannte sofort, daß er nicht auf den
Tentakel eines Roboters geschossen hatte. Roboter waren immun gegen
normale Schockwaffen.
Mißtrauisch lief er auf das zu, was er für einen
Robot-Tentakel gehalten hatte. Mit einem entschlossenen Ruck zog er
daran.
Seine Augen weiteten sich.
Vor ihm, auf dem Boden des Frachtraums, lag eine betäubte
Ratte …
Guy Nelson lehnte sich gegen einen Regalpfosten und begann
schallend zu lachen. Es kam immer wieder vor, daß in
Raumschiffe, vor allem in Nahrungsmittelfrachter, Ratten, Mäuse
und andere Schmarotzer eingeschleppt wurden. Nur die HER BRITANNIC
MAJESTY hatte bis zu ihrer Landung auf Opposite niemals Ungeziefer
beherbergt - und ausgerechnet nach der Generalüberholung tauchte
eine Ratte auf. Das mußte er dem Staatsmarschall berichten.
Reginald Bull würde nicht schlecht schimpfen, wenn er erfuhr,
daß in der Musterwerft
Hondros fette terranische Ratten ihr Unwesen trieben.
Mit spitzen Fingern faßte er den Schwanz des Tieres. Er
würde es in den nächsten Abfallvernichter werfen. Vorher
aber mußte er Punch finden.
Doch als er den gesamten Raum durchsucht hatte, schwand seine
Zuversicht allmählich. Punch war nirgends zu sehen. Er konnte
natürlich in irgendeinem Regal liegen und schlafen. Aber daran
wollte der Kapitän nicht glauben. Die Temperatur im Frachtraum
mißfiel dem Kobold genauso wie einem Menschen. Er würde
jede Gelegenheit benutzen, in eine wärmere Zone des Schiffes zu
gelangen.
Kurz entschlossen verließ Guy Nelson den Frachtraum wieder.
Im Flur befand sich ein großer Abfallvernichter. Die betäubte
Ratte wanderte durch die Gitterklappe und existierte im nächsten
Augenblick nur noch in Form von Energie. Das Tier hatte von der
Verwandlung nichts gespürt.
Der Kapitän überlegte, wie er Punch finden konnte. Es
wäre sinnlos gewesen, das ganze Schiff nach dem Tier zu
durchsuchen. Ohne die Hilfe eines Zufalls könnte er tagelang die
Gänge und Räume durchstreifen - und dennoch Punch
verfehlen. Nein, er musste dort suchen, wo die größte
Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg bestand.
Nach einigen Minuten kam dem Kapitän die Erleuchtung.
Lächelnd betrat er den Liftschacht und ließ sich zu dem
Deck treiben, in dem sich die Küche befand.
Er öffnete das Schott zur Kombüse - und blieb wie
angewurzelt stehen.
Mitten auf der Anrichte hockte Punch. Der Kobold hielt ein
geleertes Whiskyglas in der Hand und blickte seinen Herrn unverwandt
an. Neben ihm standen eine geöffnete Bourbonflasche und eine
eckige Flasche, in der sich offenbar eine blau schillernde,
undefinierbare Flüssigkeit befand. Es sah so aus, als hätte
sich Punch aus beiden Flüssigkeiten einen Cocktail gemixt. Guys
Stirn bedeckte sich mit kaltem Schweiß.
Wie, wenn die blaue Flüssigkeit irgendein ätzendes
Reinigungsmittel war…? Gar nicht auszudenken, wie er Punch retten
sollte!
Er mußte das Tier fangen und untersuchen!
Langsam schloß er das Schott. Danach ging er noch langsamer
auf Punch zu. Der Kobold folgte jeder seiner Bewegungen mit den
Augen. Sein Brustfell zitterte, als schlüge das kleine Herz mit
der Geschwindigkeit einer Symbolstanze.
Zwei Schritte vor der Anrichte blieb Guy Nelson stehen.
„Na, was macht das kleine, süße Mäuschen
…?” rief er leise. Seine rauhe Stimme eignete sich allerdings
ausgesprochen schlecht für solche zärtlichen Töne. Es
hörte sich an, als versuchte jemand, auf einer Motorsäge
eine Sonate von Mozart zu spielen. Der Kapitän sah denn auch
ein, daß er damit keinen Erfolg erzielen konnte.
Er machte zwei rasche Schritte - und hielt so abrupt, als sei er
gegen eine unsichtbare Mauer geprallt.
Punch war von einem Augenblick zum andern verschwunden. Nur das
Whiskyglas schwebte noch den Bruchteil einer Sekunde einsam in der
Luft, dann zerschellte es am Boden.
Guy schüttelte den Kopf und drehte sich schwerfällig
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