PR TB 042 Das Erbe Der Jahrtausende
irgendwoher kam.
»Wie lange werdet ihr bleiben wollen?«
Sherpa zuckte die Schultern.
»Ich weiß es nicht. Ein paar Tage vielleicht..«
»Geht zurück, Sherpa«, sagte sie. »Ich
werde meine Jägerinnen ausschicken. Sie werden dir in kurzer
Zeit Falkayn bringen oder seine Leiche. Aber geht nicht nach
MANETHO!«
»Ich habe jeden gefragt, den ich getroffen habe. Das waren
nicht wenige, aber alle sagten sie: Geht nicht nach MANETHO! Ich habe
jeden von ihnen gefragt, warum wir nicht dorthin reiten sollten. Es
würde uns töten, sagten sie. Aber keiner sagte mir, was uns
töten würde. Warum uns etwas töten würde - noch,
was eigentlich in dieser verdammten Stadt ist, das auf Menschen
tödlich wirkt. Ungeheuer? Bestien, Raubtiere? Gespenster?«
Sie antwortete in kühlem, wissendem Tonfall:
»Nichts von alledem. Ich kenne eine Sage, die älter ist
als tausend Generationen. Sie schildert, wie eine große Kugel
aus den Sternen fiel, den Himmel verbrannte und zerbarst. Und die
Menschen, die aus der Kugel fielen wie Regentropfen, bauten die
Stadt. Sie bauten alles in die Stadt hinein, was sie wußten,
und sie wußten vieles.
Sie schufen etwas, das den Geist verwirrt. Etwas, das niemand
ansehen kann, ohne weiterleben zu können. Und noch einige
Geheimnisse anderer Art. Sie bringen jeden um, Mensch oder Tier.
Kluge und Dumme, Junge und Alte. Jeden. Darum bitte ich dich.«
».. gehe nicht nach MANETHO!« schloß Sherpa.
Sherpa drehte sich um, deutete nach Osten. Dorthin, wo jeden
Morgen die Scheibe von Nullarbors Flash aufging. Grimmig sagte der
Mann:
»Ich gehe nach Osten, vielmehr reite ich. Ich werde Falkayn
finden - allein. Ich werde ihn finden, und wenn ich ihn durch die
Ruinen von MANETHO hetzen muß. Verstehst du das? Mein Leben
hängt davon ab.«
Dembele sah ihn fast mitleidig an, dann blickte sie ins Feuer
einer Glutschale.
»Und selbst wenn du weißt, daß du sterben mußt,
wirst du Falkayn verfolgen?«
»Ja«, erwiderte Sherpa. »Selbst dann.«
»Ich habe dich gewarnt, weißer Mann.«
»Ich danke dir für die Warnung, Herrscherin, aber ich
schlage sie in den Wind.«
»Ich kann kaum mehr tun, als ich tat.«
»Dich trifft kein Vorwurf, Dembele.«
Die Nacht wurde dunkler, die Musik bildete eine verführerische
Kulisse. Der leichte Wein hatte den Kopf klar gelassen. Sherpa
blickte hinauf zu den Sternen.
»Ihr werdet müde sein nach dem langen Reiten«,
sagte Dembele plötzlich.
»Meine Leute haben gelernt, was zu tun ist. Sie schlafen in
ihren Iglus und haben das Gepäck schon versorgt.«
»Wozu lernen sie das alles?«
»Sie sollen in dreihundertfünfzig Tagen eine leere Welt
besiedeln, die uns gehört.«
»Wozu?«
»Unser Reich ist groß, unser König ist mächtig,
und wir brauchen Grenzwächter.«
»Meine Jägerinnen werden versuchen, deine Grenzwächter
zu verführen.«
Sherpa lachte laut auf und beugte sich vor.
»Deine Jägerinnen werden an ihrem Versuch scheitern.
Meine fünfzehn Männer sind wie Steine.«
»Warum?« fragte die Herrscherin verblüfft.
»Es gibt ein Gesetz bei uns, das es verbietet. Ich habe es
einmal gebrochen, und Falkayn auch, und ich werde nicht zulassen, daß
es noch einmal gebrochen wird.«
»Eure Gesetze sind reiner Unsinn, Terraner Sherpa.«
»Keineswegs. Sie verhüten, daß es Probleme gibt,
die nicht mehr gelöst werden können. Wir können uns
keine Bindungen erlauben, die uns fesseln würden.«
Dembele lächelte wahrhaft königlich, als sie antwortete:
»Meine Jägerinnen werden keine Bindungen eingehen,
Sherpa.«
»Nein? Unterschätze nicht unsere Männer.«
»Jagd«, sagte sie gedehnt, »ist ein schnelles
Geschäft.«
»Das Wild verendet langsam.«
»Nicht unter unseren Pfeilen.«
»Sie sind vergiftet?«
»Ja. Sie wirken augenblicklich«, erwiderte Dembele.
»Ein Glas Wein?«
»Bitte. Ein großes Glas leichten Weines.«
Sie stand auf und winkte, ihr zu folgen. Sherpa, der an einem der
reichverzierten Tragbalken des Daches gelehnt hatte, stieß sich
mit der Schulter ab und ging hinter Dembele her. Sie kamen durch
einen der unzähligen Korridore, an dessen Wänden kleine
metallene Kugeln befestigt waren, aus deren Öffnungen silberne
Flammen züngelten. Die Schritte der Frau waren unhörbar,
dann klirrten die Ringe eines schweren Vorhangs. Ein kleiner Raum tat
sich auf. Die Wände waren mit geflochtenem Gras ausgeschlagen,
und ein niedriger, runder Tisch stand darin und mehrere kostbare
Sessel, entlang einer Wand befand sich ein Ruhelager aus
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