PR TB 046 Planet Unter Quarantäne
ehemaligen Aufklärer
versuchten nicht zu flüchten, sondern begaben sich schweigend
hinauf in den Bereitschaftsraum zu ihren Kameraden.
Sie waren jetzt vollwertige Jäger.
Marasch empfing sie mit den Worten: »Wir warten mit den
Anweisungen, bis alle eingetroffen sind.«
Eine weitere Eskorte brachte neue Gefangene ins Jägerheim
und verfrachtete sie in den Keller. Als die Tür zufiel und es
wieder still wurde, ertönte ein Ruf, der aus weiter Ferne zu
kommen schien. Er dauerte lange, schwoll für einen Augenblick zu
verblüffender Lautstärke an, um dann langsam abzuebben und
schließlich ganz zu verstummen.
»Pharon«, sagte Marasch, wie zu sich selbst. »Er
ist ein guter Prediger, stark genug für den großen
Augenblick.«
Dann klang seine Predigt herüber. Seine Stimme war laut, klar
und ausdrucksstark. Von der obersten Plattform des Gebetsturmes
rollte sie über die ganze Stadt, bis in den entferntesten Winkel
Orgedons; sie wurde selbst in den Vororten gehört und
verstanden, und der Sinn der Worte wurde von den Bürgern
aufgenommen und verarbeitet. Daran, wie sich der eben fast noch leere
Hauptplatz innerhalb weniger Minuten bevölkerte, erkannte
Pharon, dass er nicht zu tauben Ohren sprach. Und sein anfängliches
Herzklopfen machte jenem Hochgefühl Platz, das er bisher so sehr
vermissen musste. Pharon steigerte sich von Wort zu Wort - und er
wuchs über sich hinaus.
Als er geendet hatte, stürmten unzählige Bürger das
Pilgerhaus, um ihren neuen Hüter zu einer ernsthaften
Glaubensdiskussion zu stellen. Die anderen, die keinen Platz mehr in
der Andachtshalle fanden, brachen in einen Begeisterungstaumel aus,
der an Lautstärke und Vehemenz einen Orkan überbot. Selbst
als er die Plattform schon längst verlassen hatte und die
Wendeltreppe des Turmes hinunterstieg, hatten die Beifallsstürme
noch kein Ende gefunden.
Aber diese stürmischen Ovationen konnten Pharon nicht darüber
hinwegtäuschen, dass die Bürger zu sehr an die Dogmen der
Aufklärer gekettet waren. Denn sie huldigten damit nicht ihrem
Gott Zete, sondern der Person Pharons! Das taten sie, weil sie Pharon
sehen konnten, weil er existent, real
war; Zete dagegen war für sie nicht greifbar, seine Lehren
waren ihnen nichts als mystische Versprechungen. Pharon wusste, dass
sich das alles ändern würde, wenn sich erst die Schleusen
des Himmels öffneten - dann müssten selbst die
fanatischsten Rationalisten vor der aufziehenden Bläue des
Himmels kapitulieren. Aber soweit war es noch nicht, und Pharon
wollte seine Gemeinde auch ohne »greifbare« Beweise
bekehren.
Er musste eine Glaubensorganisation aufbauen. Das hätte auch
zu Maraschs Aufgaben gehört, doch war dessen Geisteswelt
angefault gewesen. Es war keine Frage, dass Marasch seine Position
dazu ausgenützt hatte, statt einer Glaubensorganisation eine
rationalistische Bewegung ins Leben zu rufen.
Diese Ära war vorbei, eine neue Epoche kam für Orgedon.
Die Rationalisten sollten mit Stumpf und Stiel vertilgt werden. Dazu
brauchte er die Hilfe des Volkes. Für den Anfang genügte
es, wenn einige Bürger >Flüsterpropaganda< für
ihren Gott betrieben. Und er brauchte auch Denunzianten - von der
Art, wie jene Alte, die den Jägern die Feuerwaffe in der
Andachtshalle gezeigt hatte.
Als er ins Beichtzimmer kam, drang aus der Andachtshalle
unentwirrbares Stimmengewirr herein. Pharon hätte sich nun zur
Glaubensdiskussion stellen können, aber die Bürger waren
geduldig. Er wollte sofort das Übel an der Wurzel anpacken. Er
kannte den Weg in die unterirdischen Verstecke der Rationalisten. Er
würde sie dort aufsuchen und versuchen, sie auf den richtigen
Weg zu bringen. Gelang ihm das nicht, dann konnte er die Aufklärer
immer noch den Jägern ausliefern. Aber einen Versuch zur
gütlichen Lösung war er Raschana schuldig. Sie durfte nicht
für die Sünden ihres Vaters büßen.
Pharon kümmerte sich mit keinem weiteren Gedanken mehr um die
Bürger in der Andachtshalle. Er entzündete eine Fackel
mit langer Brenndauer, ging in den Korridor, in den er zuletzt
Raschane gefolgt war und suchte nach der Geheimtür…
Zur gleichen Zeit gab Marasch im Jägerheim das Zeichen zum
Aufbruch. Die Jäger waren eine Kollektivgemeinschaft, und sie
kannten kein Oberhaupt. Immer übernahm derjenige die Führung,
der mit der Situation am vertrautesten war. Diesmal traf das auf
Marasch zu.
Die Jäger verließen in kleinen Scharen das Jägerheim,
um so wenig Aufsehen wie nur möglich zu erregen. Sie waren
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