PR TB 061 Der Planetenkönig
von der Bar entfernt. Trotz der Fülle war das Lokal
angenehm ruhig, ein Erfolg der akustischen Kunstgriffe, mit denen die
Architekten zu Werk gegangen waren.
Stoke begutachtete die Servierautomatik in der Mitte des Tisches
und entschied sich, einer melancholischen Eingebung folgend, für
Service â la Carte - im Gegensatz zu Service â la Mode,
der um vierzig Prozent billiger gewesen wäre. Für die
vierzig Prozent gelangte er in den Genuß des Schauspiels, eine
bunt gekleidete anitische Kellnerin auf einem Antigrav-Feld über
die Köpfe der Menge zu schreiten und neben seinem Tisch zu Boden
sinken zu sehen. Er ließ Ohlen bei der Bestellung den Vortritt
und beobachtete ihn unauffällig. Ohlen gab nicht zu erkennen,
daß der Vorgang ihn beeindruckte.
»Ich mag Ihre Art«, lächelte er Minuten später
und setzte ein blauschimmerndes Glas mit einer undefinierbaren
Mischung, die einen tannenähnlichen Duft ausströmte,
genießerisch an die Lippen. »Erlesene Getränke durch
einen Knopfdruck auf die Tischplatte zu befördern, raubt
Gelegenheiten wie diesen die Atmosphäre.«
Stoke trank Cognac Martite. In einem Anflug von Ironie pries er
sich glücklich, als Lieblingsgetränk ein solches ausgewählt
zu haben, das galaxienweit bekannt und überall zu bekommen war.
Dann schoß er seine erste Frage ab.
»Sie sind nicht zufällig im Besitz eines
mechanotelepathischen Senders, wie?«
Ohlen war verblüfft und gab sich keine Mühe, dies zu
verbergen. »Eines mechano ... was?« erkundigte er sich
mit gefurchter Stirn.
Stoke wiederholte die Frage, obwohl er wußte, daß
seine Mission gescheitert war. Ohlen war entweder ein vorzüglicher
Schauspieler, oder er wußte wirklich nicht, worum es ging.
»Ich weiß nicht mal, was das ist«, behauptete
er. »Wahrscheinlich eines von den Dingen, die auf An'An nicht
eingeführt werden dürfen.« Und dann, nach kurzer
Überlegung: »Warum fragen Sie?«
»Nur so«, antwortete Stoke beiläufig und ging, um
weitere Fragen zu vermeiden, sofort aufdas nächste Thema über.
»Ist Ihnen der Name Tulli ein Begriff?«
Ohlen schmunzelte.
»Das ist schon eher was für mich.« Sofort wieder
ernst, fügte er hinzu: »Tulli ist ein Herzogtum an der
mittleren Nordküste von Maro, unmittelbar gegenüber der
Halbinsel Nal-Pöa, die vom Polarkontinent Nal südwestlich
herabragt. Der Herzog von Tulli ist ein engerVerbündetervon
Hiro, unserem König.«
Er machte eine Pause und dazu ein Gesicht, als wußte er
mehr. Stoke wartete. Ohlen spielte mit seinem Glas, und nach einer
Weile fuhr er fort:
»Es gibt merkwürdige Gerüchte über Tulli. Er
wird angeblich von einer Schar von Grafen und Fürsten von
Nal-Pöa bedrängt. Er wurde zum Zweikampf gefordert. Hinter
den Leuten von Nal-Pöa stehen natürlich die Herzöge
von Nal. Sie können soviel Leute aufbieten, wie sie nur wollen.
Die einzige Aussicht, die Tulli hat, den Zweikampf zu gewinnen und
seinen Titel zu behalten, ist Hilfe von Hiro. Aber bislang hat er
sich mit Hiro nicht in Verbindung gesetzt. Man glaubt, daß die
Fürsten von Nal-Pöa ihn eingeschlossen haben, so daß
er keine Nachricht nach Maro-Noe durchbringen kann.«
»Wie steht's mit Funk?« fragte Stoke. Ohlen zuckte mit
den Schultern.
»Funk kann man stören. Tulli ist eine ziemlich
abgelegene Gegend. Der Herzog selbst kommt alle Jahre höchstens
einmal nach Maro-Noe. Hiro hat keinen Grund, einen Hilferuf von ihm
zu erwarten. Bis jetzt hat sich über Tullis Schweigen noch
niemand aufgeregt - außer den Leuten, die die Gerüchte
verbreiten.«
Stoke hatte die Ellbogen aufder Tischkante und starrte in sein
Glas.
»Interessant«, murmelte er, seinem Ton eine Nuance
gebend, die der Bemerkung widersprach. »Es gibt fast einhundert
Herzöge, nicht wahr... «
»Siebenundsiebzig«, verbesserte Ohlen.
»Siebenundsiebzig. Es wundert mich, daß man über
einen davon soviel Aufhebens macht.«
Ohlen ging in die Falle - oder hatte er die Unterhaltung mit
Absicht in diese Richtung gelenkt?
»Tulli ist eine besondere Sache«, behauptete er. »Sie
wissen wahrscheinlich nicht, daß Hiro die letzte Königswahl
mit einer Mehrheit von weniger als zweihunderttausend Stimmen gewählt
wurde. Wenn es den Herren von Nal-Pöa gelingt, den jetzigen
Herzog durch einen der ihren zu ersetzen, ist Hiro bei der
bevorstehenden Wahl erledigt. Ein Herzog hat nämlich
einhundertfünfundfünfzigtausend Stimmen, und ihm untertan
sind ein paar Dutzend Fürsten, ein paar Tausend Grafen und ein
paar Hunderttausend
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