PR TB 067 Der Endlose Alptraum
Noir.
»Aber Sie hätten allen Grund dazu.« Professor
Geranger wollte das Glas an die Lippen führen, überlegte es
sich dann aber anders. »Sie haben sicher eine andere
Gesellschaft erwartet. Nun, dafür muß ich mich
entschuldigen. Ich - äh - hätte Sie darauf vorbereiten
sollen, daß sich Arias Freunde von den meinen beträchtlich
unterscheiden.«
»Wenn Ihre Frau diese Party organisiert hat«, sagte
Noir, »dann brauchen Sie sich doch keine Gewissensbisse zu
machen. Seien Sie nicht so zerknirscht, Professor. Eloire und ich,
wir amüsieren uns auf unsere Art.«
»Ich hätte Ihnen wenigstens sagen sollen, was Sie hier
erwartet«, beharrte Professor Geranger. »Aber ehrlich
gestanden, ich habe es
vorsätzlich nicht getan. Weil ich befürchtete. Sie
würden dann nicht kommen und ich. könnte dann nicht mehr
mit Ihnen sprechen.«
»Sie haben etwas auf dem Herzen?«
»Ja, das stimmt«, gab der Professor zu. »Um
ehrlich zu sein, ich habe Sie nur deshalb eingeladen, weil ich
hoffte, eine Gelegenheit zu finden. Ihnen - äh - mein Anliegen
vorzutragen.«
»Das hätten Sie schon viel eher tun sollen, Professor«,
rief Noir aus. »Sie hätten mir dadurch einiges erspart.
Gibt es hier irgendwo einen stillen Winkel, wo wir uns ungestört
unterhalten können?«
»Ja, die Bibliothek. Sie sehen, daß Arias Freunde
sogar meine Arbeitsräume mit Beschlag belegt haben, aber Bücher
meiden sie wie der Teufel die Kirche.«
Noir lachte. So unnahbar der Psychologe manchmal auch wirkte, er
besaß Humor.
Noir ließ sich erschöpft in den mit echtem Leder
überzogenen Sessel fallen. Der Weg durch die verschiedenen Räume
bis in die Bibliothek hatte einem Spießrutenlauf geglichen.
Irgend jemand, aller Wahrscheinlichkeit nach Gerangers Frau, hatte
sein Inkognito gelüftet. Das hatte zur Folge gehabt, daß
er von allen Seiten bestürmt worden war.
»Ist es wahr, daß Sie ein Mutant sind?«
»Ein Unsterblicher mit übernatürlichen
Fähigkeiten?«
»Ein Hypno?«
»Geben Sie uns doch eine Kostprobe Ihrer Fähigkeiten.
Ich wäre zu gerne einmal hypnotisiert worden.«
Diese und noch viel mehr Fragen und Äußerungen hatte
Noir über sich ergehen lassen müssen, bevor Professor
Geranger die Bibliothekstür hinter ihnen ins Schloß
fallenließ.
»Ich fürchte beinahe, daß ich mich nicht mehr
unter die Gäste mischen darf«, meinte Noir ohne Bedauern.
»Sie brauchen nicht mehr zurückzugehen«,
erwiderte der Psychiater, Noirs Tonfall richtig deutend. »Ich
hätte einen viel interessanteren Zeitvertreib für Sie, als
sich von diesen Hohlköpfen dort draußen bedrängen zu
lassen.«
Noir hob fragend die Brauen.
Mit einem Blick auf seine Uhr fuhr Geranger fort: »In zwei
Stunden, also um ein Uhr früh, habe ich in der Altstadt eine
Verabredung, zu der ich Sie gern mitgenommen hätte. Es bleibt
mir noch genügend Zeit, um Ihnen vorher einiges zu erzählen,
das in sehr engem Zusammenhang mit meinem Rendezvous steht. Danach
können Sie sich entscheiden, ob Sie mitkommen wollen.«
»Alles ist mir lieber, als zurück auf die Cocktailparty
zu gehen«, sagte Noir rundheraus.
»Warten Sie ab«, riet Geranger. Er klingelte einem
Robot und trug
diesem auf, als er lautlos durch eine zweite Tür hereinkam,
Cognac und Gläser und ein Tablett mit belegten Broten zu
bringen.
»Es ist eine lange Geschichte, die ich Ihnen zu erzählen
habe, Noir«, erklärte der Professor, und ließ sich
in einen der drei anderen Sessel fallen, die um einen niedrigen
Lesetisch standen. »Und ich will Ihnen nicht verschweigen, daß
es eine Geschichte ohne Ende ist.«
»Das klingt direkt geheimnisvoll«, meinte Noir. »Und
Geheimnisse haben mich schon immer fasziniert.«
»Ich hoffe, daß Sie fasziniert sein werden.«
Der Robot kam und stellte eine Karaffe, zwei Gläser und das
reichlich beladene Tablett auf den Tisch. Auf einen Wink Gerangers
zog er sich zurück.
Nachdem der Psychologe die beiden Cognacschwenker zur Hälfte
gefüllt hatte, fragte er: »Stört es Sie, wenn ich
stehe? Nein? Danke. Wissen Sie, wenn ich mich mit dieser Geschichte
befasse, dann kann ich nicht stillsitzen. Sie wühlt mich so auf,
daß ich mich in Bewegung halten muß.«
Noir sagte nichts. Er nickte schweigend, nippte an seinem Glas und
erwiderte Gerangers Blick, wenn dieser ihn ansah. Die meiste Zeit
aber starrte er blicklos vor sich hin und konzentrierte sich auf die
Erzählung des Psychologen.
Dieser begann: »Vor ungefähr zweiundzwanzig Jahren, ich
glaube, es war im Jahre
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