PR TB 067 Der Endlose Alptraum
2350, kam einer meiner Kollegen von der
Universität zu mir und sagte, daß er seinen Lehrstuhl zur
Verfügung stelle. Er hieß Phillip Costa und war
Archäologe. Es ging mich nichts an, was er vorhatte, aber da wir
ziemlich gut befreundet waren, versuchte ich doch, ihn von seinem
Entschluß abzubringen. Er ließ nicht mit sich reden,
sondern heiratete ein Mädchen, das wir beide gleich gut gekannt
hatten, und reiste gleich nach der Hochzeit mit ihr ab. Angeblich in
die Flitterwochen, aber sie kamen nie mehr zurück.
Ein Jahr später bekam ich einen Brief von ihm, in dem er mir
mitteilte, daß er sich mit seiner Frau und seinem Sohn ins
Askadir-Gebirge von Halperoon zurückgezogen habe.«
Professor Geranger war langsam auf und ab gegangen. Als er jetzt
zu Noir blickte, unterbrach er sich und stellte die Frage: »Drücke
ich mich zu unklar aus?«
»Das glaube ich nicht«, sagte Noir. »Es ist nur
so, daß ich weder das Askadir-Gebirge auf Halperoon kenne noch
den Planeten selbst. Deshalb verwirren mich Ihre schnellen
Gedankensprünge. Aber ich habe es hoffentlich richtig aufgefaßt,
daß Sie und Phillip Costa gute Freunde waren?«
»Ja, das stimmt«, bestätigte Geranger. »Bis
zu seiner überstürzten -äh - Abreise waren wir
Freunde.«
Noir war das Zögern nicht entgangen, und er fragte sich im
stillen, ob
der Psychologe das Wort »Abreise« nicht als Ersatz für
das ursprünglich gewählte Wort »Heirat«
genommen hatte.
Sie waren Freunde gewesen - zumindest bis zu Costas überstürzter
Heirat...
»Ich nehme an«, sagte Noir, »daß Sie dem
Mädchen, das Ihr Freund zur Frau genommen hatte, sehr zugetan
waren. Ist das richtig?«
»Es spielt bei der Geschichte, die ich erzählen will,
keine Rolle«, sagte Geranger kurz und leerte sein Glas in einem
Zug. Versöhnlich fügte er hinzu: »Ja, ich habe - äh
- sie geliebt. Und bis zu dem Zeitpunkt, als Phillip mir von der
geplanten Hochzeit erzählte, hätte ich nie geglaubt, daß
sie sich für einen von uns beiden entscheiden würde. Wir
waren Kameraden, drei Freunde.«
»Ich verstehe«, sagte Noir.
»Aber es hat mit der Geschichte, die ich Ihnen erzählen
möchte, nichts weiter zu tun«, wiederholte Geranger. Er
räusperte sich.
»Sie kennen den Planeten Halperoon nicht? Sie haben nicht
einmal vom Askadir-Gebirge gehört? Auch nicht von den
Askadiern?« fragte er, wartete aber keine Bestätigung ab,
sondern fuhr fort:
»Es ist bewiesen, daß Halperoon vor Jahrtausenden von
intelligenten Wesen bewohnt war. Man hat Ausgrabungen gemacht, die
darauf hinweisen, daß diese Wesen auf einer höheren
Zivilisationsstufe standen als die Menschheit heute. Aber mehr weiß
man nicht. Man kennt weder das Aussehen der Askadier noch weiß
man, auf welche Art und Weise dieses Volk untergehen konnte. Es gibt
Rätsel über Rätsel, und deshalb ist es nicht
verwunderlich, daß sich Legenden gebildet haben. Man spricht
von einer Stadt Askadir, die unter einem gigantischen Gebirgsmassiv
liegen soll und angeblich unermeßliche Schätze birgt - den
gesamten Nachlaß dieser versunkenen Kultur.
Phillip Costa schwärmte schon in seiner Jugend davon, diesen
Schatz später einmal zu heben. Und er erfüllte sich seinen
Jugendtraum nach abgeschlossenem Studium auch, indem er an einer
Expedition ins Askadir-Gebirge teilnahm. Aber die Expedition war ein
Fehlschlag, denn anstatt Askadir zu finden, wurde mit Hilfe der
modernsten Meßgeräte erwiesen, daß eine solche Stadt
nicht mehr existierte. Das hielt zwar die Abenteurer nicht davon ab,
weiterhin nach Schätzen der versunkenen Kultur zu suchen - und
es wurden und werden immer noch kleinere Funde gemacht. Aber der
Aufwand einer zweiten wissenschaftlichen Expedition stand nicht
dafür, und man hätte meinen können, daß auch
Phillip von seinen Jugendträumereien genug hätte.
Dann erfuhr ich durch seinen Brief, daß er sich mit seiner
Frau und seinem erst wenige Monate alten Sohn ins Askadir-Gebirge
zurückgezogen hatte, um die versunkene Stadt zu suchen. Sie
können sich vorstellen, wie mir zumute war.«
»Vielleicht.« Noir wollte sich nicht festlegen. Denn
aus Gerangers
Äußerungen ging nicht hervor, warum ihm so zumute war.
Er konnte von Costa enttäuscht gewesen sein, weil er immer noch
einem Traum nachjagte. Es konnte ihn aber auch schockiert haben, daß
Costa dem von ihnen beiden verehrten Mädchen ein Einsiedlerleben
bescherte.
Der Psychologe nahm seinen unruhigen Gang durch die Bibliothek
wieder auf.
»Den nächsten Brief
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