PR TB 067 Der Endlose Alptraum
verblüffende Ähnlichkeit
zwischen dieser Frau und dem Mädchen Ylina fest - obwohl ein
Altersunterschied von zwanzig Jahren gegeben sein mußte.
Geranger hatte mit Aria tatsächlich einen Ersatz für die
verlorene Jugendliebe gefunden.
»Ich möchte Ihren Mann sprechen«, sagte Noir.
»Wendeld schläft noch«, erklärte sie
bedauernd. »Kann ich. Ihnen nicht helfen?«
»Ich fürchte - nein. Ich muß schon persönlich
mit ihm sprechen. Und da es sich um eine dringliche Angelegenheit
handelt, wird es zu verantworten sein, daß Sie ihn wecken. Ich
werde in wenigen Minuten nochmals anrufen.«
Nachdem Arias Bild verblaßt war, wählte Noir Eloires
Nummer. Er gab keine langen Erklärungen ab, sondern sagte ihr,
daß er für sie beide einen Flug nach Halperoon gebucht
habe. Sie sollte sich in zwei Stunden an Bord der CARINA einfinden
und sich auf ihn berufen.
»Aber da bleibt mir nicht einmal Zeit, mein Nachthemd
einzupacken«, schmollte sie.
Er sagte: »Wen stört das schon.«
Gleich darauf rief er wieder bei Professor Geranger an. Diesmal
war der Psychologe selbst am Apparat.
»Ich habe einige Vorbereitungen getroffen«, begann
Noir sofort. »Wir fliegen in zwei Stunden nach Halperoon, die
Tickets habe ich bereits gebucht. Auf meinen Namen. Ylina kommt mit.«
Geranger war blaß geworden.
»Das kommt ein wenig überstürzt«, sagte er.
»Es steht Ihnen frei, auf Kandago zurückzubleiben«,
erwiderte Noir kühl. »Die Entwicklung der Dinge läßt
es leider nicht zu, daß ich noch länger warte. Ich muß
schnell handeln.«
Geranger hatte seine Fassung wieder zurückgefunden.
»Das ist überhaupt nicht Ihre Angelegenheit, Noir. Wie
können Sie sich da herausnehmen, Entscheidungen zu fällen.«
»Sie haben mich in die Angelegenheit hineingezogen«,
unterbrach
Noir, »und jetzt fühle ich mich moralisch dazu
verpflichtet, Ylina zu helfen. Um Ihre persönlichen Interessen
werde ich mich nach wie vor nicht kümmern. Vielleicht beruhigt
Sie das. Vergessen Sie also nicht, Professor: In zwei Stunden auf dem
Raumhafen. Das Schiff heißt CARINA.«
»Ich werde sehen, daß ich in dieser kurzen Zeit alle
nötigen Vorbereitungen treffen kann.«
»Sie werden es schaffen, davon bin ich überzeugt. Bevor
Sie aber die Verbindung unterbrechen, möchte ich noch wissen, wo
Sie Ylina entdeckt haben.«
»Das sagte ich schon - im Vergnügungsviertel.«
»In der Nähe von Phils Absurditätenschau?«
»Direkt davor.« Mehr brauchte André Noir nicht
zu wissen.
Das Vergnügungsviertel von Saylora war ein Rummelplatz wie
tausend andere auch, nicht vergnüglicher und nicht seriöser.
Eher war das Gegenteil der Fall.
Phils Absurditätenschau war jedenfalls ein gutes Beispiel
dafür. Es war eine Kunststoffbude, von deren
Verfallserscheinungen eine schreiende Fassade ablenkte.
Ein fünf Meter hohes Plakat war der Blickfang; darauf war ein
überlebensgroßer Topsider dreidimensional abgebildet -
eines jener Echsenwesen, gegen die André Noir vor vierhundert
Jahren selbst gekämpft hatte. Davor war eine Freibühne
aufgebaut, auf der dem Publikum Kostproben des Programms geboten
wurden. Zwei in Säcke gehüllte Wesen standen reglos darauf.
Aus dem einen »Sack« glühten rote, tellergroße
Augen durch Sehschlitze, aus dem anderen ragte eine bläuliche
Klaue. Daneben stand ein kaum einen Meter großer Invalide, der
mit gellender Stimme die Attraktionen verkündete, welche die
Schaulustigen im Innern des Etablissements zu erwarten hatten, ».
und Sie werden sich fragen: Sind das noch Menschen? Oder sind das
Geschöpfe, die einem Alptraum entsprungen sind? Die auf Besuch
zu den Menschen aus Fleisch und Blut kommen, um sie das Gruseln zu
lehren? Ja, es sind furchterregende Monstrositäten, von einem
unergründlichen Schicksal geschlagen! Aber Sie werden auch
feststellen, daß es Wesen voller Gefühle, voller geballter
Emotionen sind. Sie werden Ihren Nervenkitzel bekommen, meine Damen
und Herren - ich garantiere Ihnen eine Gänsehaut. Aber ich
versichere auch, daß Sie am Los dieser Verdammten Anteil nehmen
werden, daß Sie mit ihnen weinen und trauern, daß Sie
sich mit ihnen freuen und über ihre Späße lachen
können. Doch eines können Sie ganz bestimmt nicht mehr,
wenn Sie Phils Absurditätenschau besucht haben. Sie
werden nie wieder in Ihrem Leben einen ruhigen Schlaf haben.«
Der Invalide, dem Arme und Beine durch mechanische Hilfswerkzeuge
ersetzt worden waren, sprach den Sensationshunger der Umstehenden an.
Aber daß auch
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