PR TB 067 Der Endlose Alptraum
fiel Noir schluchzend in die Arme und umklammerte ihn.
Noir hatte nur für einige Sekunden von Phillip abgelassen,
aber das wäre ihm beinahe zum Verhängnis geworden. Er sah
gerade noch die schwere, doppelschneidige Axt heransausen und spürte
den Luftzug in seinem Haar, als er sich duckte.
Phillip stieß einen unartikulierten Laut aus und zog wütend
an der Axt, die sich in die Wand gebohrt hatte.
Noir hatte ursprünglich vorgehabt, Phillip die Lage zu
erklären zu versuchen. Aber an der Brutalität und
Gefühlskälte des Mannes erkannte er, daß jede
Erklärung fehl am Platze gewesen wäre. Er hatte jetzt
vielmehr vor, Phillip bis zur letzten Konsequenz zu treiben. Er
wollte wissen, ob die Grausamkeit dieses Mannes Grenzen kannte.
Deshalb strahlte Noir seine Suggestionen aus, die Phillip aus der
Realität in eine Eigenwelt führten. In eine Scheinwelt, in
der er Ylina vor sich hatte - zitternd, gepeinigt. wie Noir sie
angetroffen hatte.
... so stand sie vor Phillip. Er beschimpfte sie; jedes Wort war
ein demütigender Schlag. Und er schlug sie. Und er griff zu
einem Messer.
Noir konnte diese Vision nicht mehr ertragen. Alles in ihm lehnte
sich dagegen auf, deshalb unterbrach er diese Impulse und ließ
Phillip zur Reglosigkeit erstarren.
Noir war erschüttert. Er hatte jetzt den Beweis dafür,
daß Ylina berechtigte Angst vor ihrem Vater hatte. Noir hatte
es selbst gesehen, daß Phillip nicht davor zurückschrecken
würde, sie zu töten.
»Hast du die Kraft zu gehen?« erkundigte sich Noir
sanft.
Ylina nickte, aber sie löste ihre Umklammerung nicht.
»Du brauchst dich nicht vor ihm zu fürchten«,
beruhigte Noir sie. »Er kann dich nicht mehr gefährden. Er
wird dir nie wieder etwas antun, denn ich werde veranlassen, daß
er sich den Behörden stellt. Und bis er wieder auf freiem Fuß
ist, befindest du dich schon längst auf Halperoon.«
Als hätte sie nur darauf gewartet, daß jemand die
seelische Spannung von ihr nahm, sank ihr Körper plötzlich
kraftlos in sich zusammen.
Den Mutanten aus Phils Absurditätenschau bot sich ein
unglaubliches Bild:
Phil kam in Begleitung des dicklichen Mannes heraus und trug Ylina
behutsam auf den Armen. Phil sagte mit einer seltsam verstellten
Stimme: »Schaukelt den Laden vorerst einmal alleine. Ich weiß
nicht, wann ich zurückkomme.« Dann ging er mit seiner Last
und seinem seltsam abwesenden Begleiter durch eine Seitentür ins
Freie. Der Schlangenmensch sah, wie sie ein Lufttaxi herbeiholten und
einstiegen.
Der Pilot des Lufttaxis hatte schon einiges in seiner Praxis
erlebt, aber dieses Erlebnis prägte sich ihm besonders ein:
Ein Mann, der aussah wie der wandelnde Sensenmann, bestieg mit
einem wunderschönen Mädchen, das ohnmächtig war, das
Taxi. In seiner Begleitung befand sich ein anderer Mann, der eher
durchschnittlich aussah, aber durch seine geistige Abwesenheit
auffiel. Der große Dünne sagte: »Zur nächsten
Polizeistation.« Als das Lufttaxi
dort landete, bettete er das ohnmächtige Mädchen
liebevoll auf den Sitz und stelzte auf seinen dünnen Beinen zur
Polizeistation. »Können wir weiterfliegen?« fragte
der Pilot. Aber der zurückgebliebene Fluggast gab erst nach über
einer Minute Antwort. »Ja«, sagte er, »jetzt können
Sie uns zum Raumhafen fliegen.« Die Trance war von ihm
abgefallen.
Der diensthabende Polizist fand es nicht einmal der Mühe
wert, folgende Episode in seinem Tagesbericht zu erwähnen:
Phil, der Schausteller, kam in die Polizeistation, setzte sich vor
den Beamten hin und sagte: »Ich möchte Selbstanzeige
erstatten.« Der Beamte, der Phil ganz gut kannte, fragte
scherzhaft: »Hast du einen deiner Künstler mißhandelt?«
Phil sagte: »Ich wollte meine Tochter ermorden.« Der
Beamte lachte über den vermeintlichen Witz. »Aber Phil,
seit wann hast du eine Tochter?« Plötzlich war Phil wie
ausgewechselt - sein Gesicht verzog sich zu einer Fratze. Der Beamte
fragte besorgt: »Fühlst du dich nicht wohl, Phil?«
Aber Phil ging darauf nicht ein, er wollte statt dessen wissen, was
er vorhin gesagt habe. Der Beamte wiederholte es und fügte
hinzu: »Ich habe mir gleich gedacht, daß du einen Scherz
anbringen wolltest. Daß du eine Tochter hast, nehme ich dir
nämlich nicht ab, Phil!« Phil sagte: »Manche Leute
- ganz bestimmte Leute - glauben, daß Ylina meine Tochter
ist. Denen hat sie verschwiegen, daß sie in Wirklichkeit meine
Frau ist. Sie ist mir davongelaufen.« Der Beamte fragte:
»Willst du das zur Anzeige bringen,
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