PR TB 071 Sturm Uber Babylon
erfüllen."
„Herr ich kann schreiben und lesen. Wenn ich Abi'enchu die
Listen führen darf, bin ich glücklich. Ich bin alt. Sterbe
ich in Frieden, ohne Narben auf meinem Rücken, so bin ich
zufrieden."
Der Wirt schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
„Habe ich dich auch nur einmal mit der Peitsche berührt?"
schrie er vorwurfsvoll. „Hat je einer meiner Sklaven die
Peitsche gespürt? Habt ihr jemals gehungert?"
Der Alte lächelte glücklich und sagte leise:
„Nein, Herrder Dicke schlägt niemanden. Ich sage es:
Ich bin glücklich, wenn ich ruhig sterben darf."
„Ich glaube, das können wir dir versprechen",
sagte ich. „Aber wir haben Arbeit. Kümmere dich ein wenig
um Daganya."
Der dicke Wirt nickte, umarmte seinen ehemaligen Sklaven, und
nebeneinander gingen sie über den Sand des Platzes; ein
unförmiger, dicker Mann, der wie eine Wild
ente watschelte, und ein hagerer, alter Sklave, der plötzlich
sehr gerade ging. „Verstehst du das, Bruder?" fragte
Kishurra am Rand seiner Fassung. „Ich hätte mir alle
Jungfrauen von Mari gewünscht...", nach einer
nachdenklichen Pause fügte er abschwächend hinzu: „...
oder wenigstens die jungen, schönen." „Du bist ein
verdammter junger, vorwitziger und vorlauter Bogenschütze, dazu
noch ein schlechter!" rief ich. „Willst du hier ein
Denkmal bilden?"
Sein Grinsen war breit und unbekümmert.
Wir fuhren weiter.
Ich hatte Kishurra und die Mehrzahl der Brüder der Wölfe
bei der Südmauer gelassen. Ein Teil von ihnen gab gleichzeitig
auf den Winkel acht, den die zweite Mauer im Osten gegen die Südmauer
bildete. Dort in der Nähe waren der Tempel, die priesterlichen
Quartiere und der Palast. Der konische Turm aus Bronze hatte wenig
Chancen. Als er sich der Mauer genähert hatte, langsam und
knarrend auf durchgesägten Baumstämmen fahrend, entbrannte
der Kampf mit aller Wut. Die Verteidiger schütteten brennendes
Öl zwischen die Schilde. Es versickerte im nassen Lehm und buk
ihn wie Ziegel hart.
Lange Stangen schoben sich aus den Zinnen. Der Turm wankte nicht
und kam immer näher.
Dann zogen Kishurra und vier andere Männer an einem Seil, das
um eine Kette geflochten, war. Die Untersetzung war sechsfach,
funktionierte nach dem Prinzip des Flaschenzuges.
Unter insgesamt sechzehn großen Steinquadern, die über
einer Höhle zusammengefügt worden waren, wurde ein drei
Meter hohes Stützgerüst aus schweren Balken herausgezogen,
indem das Seil den zentralen Balken, einen Zedernabschnitt, den wir
mit Bronzebändern verstärkt hatten, umriß. Die
sechzehn Quader polterten in das Loch. Eine Seite des Turmes sank
dadurch um drei Meter ab. Ein Aufschrei ging durch die Reihen der
Verteidiger, ein dumpfes, aber nicht minder großes Echo
erscholl dumpf aus der Metallmasse. Sie schwankte.
Sie schwankte wieder zurück und bog sich entlang der Mitte.
Dann kippte sie majestätisch langsam nach links und schlug
donnernd auf die Steine. Die Schilde sprangen rasselnd und scheppernd
über die Steine, Stricke rissen, Holz brach. Dreihundert
Angreifer blieben in den Trümmern. Der
Menge des MariHeeres auf dieser Seite der Stadt bemächtigte
sich ein starrer, lähmender Schrecken. Sie wichen in einer fast
endlosen Reihe zurück, schrittweise, ohne die furchtbaren Mauern
aus den Augen zu lassen. Die Bogenschützen schössen in die
Reihen hinein und töteten viele.
Etwa zur gleichen Zeit, als der langhallende Ton der stürzenden
Metallmasse über die Stadt hallte, begann sich die halbe
Pyramide zu bewegen. Die fünfzehn Bogenschützen auf dem
Wall gerieten in Panik, schössen ungenau und begannen zu
schreien. Unwiderstehlich rollte der Turm näher. Rindenstücke
platzten von den Baumstämmen, auf denen er sich bewegte. Man sah
dahinter etwa zweitausend Soldaten. Weitere vierhundert etwa
verbargen sich auf der Treppe oder schoben nichts war zu sehen. Der
Balken aus einem Katapult riß einen Fetzen aus der Verkleidung
des gewaltigen Bauwerks heraus.
Eine rätselhafte Stille herrschte.
Nach und nach erschienen mehr Bogenschützen. Sie liefen auf
dem Wall hin und her, winkten nach hinten und gebärdeten sich
wie die Irren. Jeder von uns wäre auf diesen Trick nicht
hereingefallen: Die Pyramide näherte sich unaufhaltsam.
Dann stieß sie an die Mauer.
Die Schützen zogen sich nach links und rechts zurück und
begannen ein wildes Bombardement. Ich stand im Ostturm und sah jede
Phase des Angriffs. In meiner Hand lag die schwere, in der Mitte
verdickte Lanze es war
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