PR TB 071 Sturm Uber Babylon
mein auseinandergenommener und neuartig
zusammengesetzter Strahler.
Hundert schreiende, äxteschwingende Angreifer polterten die
Rampe hoch, sprangen auf den Wall hinaus; einige wurden getroffen.
Eine zweite Phalanx sprang aus der tunnelähnlichen Öffnung,
während die erste über die glatte Mauer setzte und die
schräge Fläche zur Stadt hin
unterrannte. Das Schreien hatte jetzt aufgehört, denn die
Angreifer erkannten, daß sie damit Verteidiger anlockten. Ein
unaufhörlicher Strom von Soldaten ergoß sich durch den
Ausgang auf den Wall, dahinter über die Straße. Einige
Männer hielten an, als sie die nagelstrotzenden Seitenwälle
sahen, aber der Strom der Nachdrückenden riß sie mit,
schob sie hinunter in den idyllischen Park.
Genau neunzehn Männer erreichten die Linie jenseits der
zweiten Mauer, die den Park gegen die Stadt abgrenzte.
Fünftausend Giftschlangen töteten innerhalb von einer
Stunde rund
eineinhalbtausend Krieger.
Achtzehn wurden von den Bogenschützen erschossen.
Der letzte Angreifer, der sich plötzlich allein inmitten
eines Kreises von achtzehn Toten sah, warf seine Waffen weg und
kauerte sich, den Tod erwartend, in den schattenlosen Sand. Niemand
kümmerte sich um ihn.
Als ich bemerkte, daß buchstäblich kein Gras im Park
mehr zu sehen war, verließ ich meine Deckung, richtete die
Lanzenspitze aus und schoß, mit beiden Händen die Lanze
senkend. Die ungeheure Hitze des ununterbrochenen Strahles setzte die
Belagerungsmaschine in Brand Eine pechschwarze, pilzförmige
Rauchwolke erhob sich am späten Nachmittag über der Stadt.
Als die Nacht kam, glühte unterhalb der heißen,
geschwärzten Stadtmauer nur noch ein großer Kreis von
Asche und silberweißen Holzresten. Ein riesiger Schwärm
von Raben fiel aus dem Himmel und hielt sich stundenlang über
verschiedenen Teilen der Stadt auf, dann entfernte er sich in
Richtung Borsippa, wo die Toten vom Euphrat in die Lagunen gespült
wurden.
Auf dem leeren Wall kam mir Daganya entgegen.
„Liebster... du zitterst. Du bist fahl wie Leinen. Was ...?"
Ich warf die Lanze achtlos weg. In der Nähe des Tempels
wehrten sich die fremden Priester mit ihren Strahlern.
„Ich wünschte, ich könnte das hier je vergessen",
sagte ich.
Als ich nachts in einen unruhigen Schlaf lag, kam Kishurra, der
seit vierundzwanzig Stunden nicht länger als
Minuten geschlafen hatte, und weckte mich. Neben ihm stand ein
Mann, der wie ein Hauptmann Zimrilims gekleidet war. Auch er war mehr
als erschöpft. „Du lebst", sagte ich leise und drehte
mich herum, zog die Decke über Daganya.
„Ich lebe, ich habe die kleinen, weißen Kugeln in zehn
Weinkrüge und zehn Wasserschläuche getan, ohne daß
mich jemand sah. Das Lager war leer."
Ich nickte.
„Die Belagerung ist aus, Kishurra", erklärte ich
mühsam. „Dieser Mann hat die Krankheit über aas
feindliche Lager gebracht. Alle, die vom Wein oder Wasser trinken,
die nur mit Wein oder Wasser oder den Gefäßen in Berührung
kommen, werden krank. Sie sind drei Wochen lang teilweise gelähmt
und blind nach zwanzig Tagen merken sie nichts mehr. Zimrilim wird
sich zurückziehen."
Vierundzwanzig Stunden später übermittelte mir die Optik
des Wolfes den
Abzug des Heeres. Die fünf zehntausend Überlebenden
trugen mehr als fünftausend Männer mit sich, die blind
waren und sich kaum bewegen konnten.
Marduk war mächtig.
Und vier Tage später erkrankte auch Daganya. Nicht an dem
Virus, das ich verbreitet hatte, sondern an einer fieberartigen
Krankheit, die ich nicht kannte. Ich hatte geglaubt, der Gipfel
menschlichen Widerstandsvermögens wäre erreicht gewesen,
als ich die Sterbenden im Park sah, aber ich hatte mich geirrt. Es
gab nur eine Möglichkeit, das Mädchen zu retten.
Die Tiefseekuppel? Du bist wahnsinnig geworden, Arkonide! schrie
mein Extrasinn.
Ich überhörte die Warnungen und bat Kishurra zu mir.
Am nächsten Morgen raste sein Gespann aus der Stadt, die sich
langsam leerte, an Bauern entlang, die mit ihren Gespannen Babylon
verließen, mit Frauen, Kindern, Werkzeug und dem Vieh.
9.
Die tiefliegenden Wolken des neuen Tages hingen über uns wie
ein großer, dunkelgrauer Pilz. Bäume, Gräser, Felsen
und sogar das halbzerfallene Haus, alles sah seltsam leblos aus, ganz
ohne Kraft und Glanz. Nicht einmal die Schmeißfliegen auf den
Leichen wollten sich erheben, als wir vorbeirasten. Es war einer
jener unheilvollen Tage des Zweiströmelandes, in denen Überdruß
und Ekel ihren Höhpunkt erreichen
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