PR TB 071 Sturm Uber Babylon
mächtiger Hornstoß
ertönte. Es hallte schaurig
über die Stadtmauern herab. Dann drückte ich
gleichzeitig die vier Kontakte nieder.
Strom geringer Spannung jagte durch die Leitungen und entzündete
die Magnesiumblitze. Die gesamte Stadt war drei Sekunden lang in
einen ungeheuren Kettenblitz gehüllt, der die Mauer in ihrer
ganzen Länge erhellte. Das kurze, harte Licht, das in den Augen
der Angreifer blendete, riß die Helme, Schwerter, Pfeilspitzen
urid Schilde der Verteidiger aus der Dunkelheit. Nun wurde das innere
Tor geöffnet, und die ersten Gespanne fuhren über die
strohbedeckten Brückenplanken. Nicht einmal ich hörte mehr
als das gelegentliche Schnauben von Pferden.
Ein einziger Schrei des Entsetzens erhob sich rund um die Stadt.
Fackeln wurden zu Boden geworfen. Pferde wieherten, schlugen aus,
galoppierten davon. Ich sah, wie ein langer, schwarzbärtiger
Hauptmann seine Leute mit der Peitsche schlug; sie überrannten
ihn heulend und flohen.
Dann hörte ich einen schrillen Pfiff.
Ich rannte hinüber zu der Schleuder. Das äußere
Tor glitt langsam auf; es öffnete sich nach draußen. Von
den beiden Tortürmen streckten die besten
Bogenschützen die kopflos herumrennenden Angreifer mit
Weitschüssen nieder. Als das letzte Gespann die Brücke
verlassen hatte, hob ich abermals den Arm.
„Blast, Männer!" schrie ich.
Wieder erscholl der Ruf der Hörner, die kupferne Mundstücke
hatten und mit Bronzetrichtern versehen waren. Die hellen,
kreischenden Töne schienen die Nacht aufspalten zu wollen.
Dann drückte ich den Stift unter die Leinwand, zählte
zwei Sekunden und riß den Arm herunter.
Der Mann mit dem Hammer schlug zu.
Ein Bolzen sprang aus den Führungslöchern, die gebogenen
Balken schnellten in die ursprüngliche Lage zurück, die
Seile rissen den Löffel hoch. Die Last stieg vier Sekunden lang
fast senkrecht, entfaltete sich in der Dunkelheit, und die
langbrennende Magnesiumfackel senkte sich an einem Fallschirm langsam
dem Erdboden entgegen. In diesem Moment schrie Kishurra auf, und die
hundert Gespanne zogen an. Sie wurden schneller und schneller, rasten
in vollem Galopp geradeaus, die breite Kanalstraße entlang.
Dann, als sich an einer anderen Stelle des Himmels die zweite Fackel
entzündete, schwenkten die hundert Gespanne nach links und
rechts immer abwechselnd. Sie rasten im leuchtenden Glanz des
brennenden Magnesiums über die Ebene und griffen erbarmungslos
sie Fliehenden an.
Die Pferde wieherten und rannten mit den Dolchen an Brust und
Stirn die Fliehenden nieder. Wer entkam, der wurde vom Wagenkorb aus
mit der Streitaxt niedergeschlagen. Die Bogenschützen schössen
mit methodischer Langsamkeit ihre Köcher leer. Die dritte Fackel
leuchtete auf dem südlichen Teil des Kampfplatzes auf. Ich
verfolgte mit den Augen das Gespann meines Freundes. Kishurra war
allen voraus. Seine Pferde, drei schwarze Hengste, zerrissen fast
Wagen und Geschirr. Zwei Lanzenreiter Zimrilims setzten sich an die
Seite des Wagens und senkten die langen Waffen. Der Bogenschütze
drehte sich mit gespanntem Bogen, drehte den Daumen hinter dem Ohr
und schoß einen Reiter vom Pferd.
„Kishurra!" wollte ich schreien, aber mir blieb fast
das Herz stehen.
Der Feldherr riß gerade seine Axt zwischen den
Schulterblättern eines Flüchtenden heraus, faßte mit
der anderen Hand an den Holzbogen des Wagens und machte eine fast
gleichgültige Bewegung. Sein Arm, verlängert durch die
fünfundsiebzig Zentimeter lange Waffe, beschrieb einen
Halbkreis.
Die Schneide der Axt spaltete den Schild des Lanzenreiters,
zerschlug seinen Arm und brach ihm sämtliche Rippen alles in
einem Schlag. Der Bogenschütze griff nach den Zügeln des
prachtvollen Schecken und fing das Tier ein.
Die vierte Fackel leuchtete auf, als die erst im Fluß
versank.
„Die Hörner!"
Zum drittenmal bliesen die schrecklichen Hörner. Als die
letzte Magnesiumfackel wie ein furchterregender Komet am Himmel
erschien und weiße, zitternde Lichter und dunkle, rätselhafte
Schatten um die Stadttore warf, drehten die Gespanne gehorsam um
neunzig Grad. Sie fuhren durch die Gruppen der waffenlosen
Flüchtenden und richteten ein Blutbad an.
„Schluß!" murmelte ich.
Der Mann neben mir warf seinen Hammer weg und schleuderte die Arme
in die Höhe.
„Sieg!" schrie er.
Ich herrschte ihn an:
„Schweige! Dort draußen liegen Brüder von dir.
Tot. Verwundet, mit abgehackten Gliedern, sterbend, voller Schmerzen.
Hörst du sie schreien? Kein Grund für
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