PR TB 092 Der Ritter Von Arkon
einigen Metern merkte ich, daß ich ein
ausgezeichnetes Tier hatte. Es war schnell und rassig und gehorchte
auf jede Reithilfe und auf den geringsten Zug an der Kandare. Ich
brauchte die Sporen fast gar nicht.
»Dieser Betrüger scheint mich nicht betrogen zu haben!«
sagte ich und knallte meine flache Hand auf den Schenkel des Tieres.
Ich galoppierte mit größter Geschwindigkeit den Weg
zurück, den ich zu Fuß gekommen war, und erreichte nach
einigen Minuten das Versteck des Gleiters. Der Wolf hielt mühelos
mit mir Schritt, und da er nicht wie ein Wolf roch, erschreckte er
auch den falben Hengst nicht. Ich hielt an und stieg aus dem Sattel.
Dann betrachtete ich das Tier genau; es zeigte nicht die geringsten
Zeichen von Erschöpfung, obwohl ich es gezwungen hatte, die
Hänge hinaufzugaloppieren, durch schmale Bäche zu waten und
über Hindernisse aller Art zu springen.
»Ausgezeichnet!« sagte ich.
Ich wandte mich an den Wolf und fragte:
»Meldet der Falke, daß uns jemand nachreitet?«
»Nein, negativ!« sagte der Wolf undeutlich. Er sprach
etwa tausend Worte Arkonidisch, die Aussprache war leicht verzerrt
worden.
Minuten später hatte ich alles, was ich brauchte. Lanze,
Schild, ein zweites Schwert und eine sarazenische Waffe, die ich
meisterhaft beherrschte. Ich schnallte die runden Schutzglieder für
Knie und Ellenbogen um, legte meinen Mantel hinter den Sattel und
befestigte die Verschlüsse der stählernen Überschuhe.
Dann schwebte der Gleiter zurück in sein Höhlenversteck.
Wenn alles nach Plan ging, würden wir heute abend von hier
wegreiten; hervorragend ausgerüstet und in bester Stimmung.
Bisher hatte ich noch keinen einzigen Pestfall gesehen - vielleicht
hatte sich die Seuche noch nicht bis hierher nach Aberystwyth
ausgedehnt.
Ich ritt wesentlich langsamer, aber doch recht zügig und traf
auf dem Marktplatz ein. Ich warf meinen eigenen Sattel, den ich
bisher auf der Schulter gehabt hatte, neben den Wolf auf den Boden
und sah zu, wie drei Männer an dem dicksten Ast eines
schwarzborkigen Baumes eine Henkerschlinge knüpften.
Ich ritt, die Lanze in der rechten Hand, bis neben den Baum und
rief:
»Ich suche Ritter Surrey von Mowbray! Ich bin es, der
Gromell den Pfeilmacher auslösen wird.«
Ich stieg aus dem Sattel und gab einem Knecht des Wirtes Zügel
und
Lanze. Dann sah ich, wie Surrey aus der Tür des Wirtshauses
herauskam. Seine beiden Bewaffneten befanden sich neben ihm, und eben
brachten die Männer des Sheriffs Gromell aus der Scheune heraus.
Die Sonne war höher geklettert, und der Baum mit der Schlinge am
untersten Ast warf einen langgezogenen Schatten auf den Dorfplatz.
Ich hob die Hand und ging auf Surrey zu.
»Ihr wollt mich sprechen, Ritter Atlan?« fragte Surrey
finster.
»So ist es. Ich will diesen armen Burschen loskaufen. Wie
teuer ist ein Hirsch aus Eurem Forst, Ritter?«
Er faltete die Hände über dem Schwertgriff und
schüttelte den Kopf.
»Seht, Ritter von Arcon«, sagte er halblaut, »das
ist eine lange Geschichte. Ich will sie Euch berichten: Seit Jahren
wildern diese Taugenichtse und Strauchdiebe in meinen Forsten.«
Ich lächelte und erwiderte:
»Seit jener Zeit also, seit der die Sauen und Hirsche die
Äcker und Getreidefelder Eurer Untertanen verderben?«
Er kniff die Augen zusammen. Sein Gesicht unter dem locker
aufgesetzten Helm wirkte plötzlich finster und abweisend. Der
Ausdruck von Leichtsinn und Unbedenklichkeit war verschwunden. Das
Gewebe des Kettenhemdes lag wie ein Schal um den Hals des Ritters.
»Wenn Gromell heute nicht hängt«, sagte er
wütend, »dann glaubt jedermann hier, er kann in meinen
Wäldern schießen, was ihm gerade schmeckt. Nein Ritter,
sucht Euren Knappen woanders. Gromell wird hängen.«
Er deutete auf die Schlinge. Eine Menge Menschen hatten sich
bereits versammelt; es herrschte eine dumpfe, ungemütliche
Stimmung.
Ich erwiderte:
»Ich zahle Euch den Hirsch doppelt und dreifach. Wenn Ihr
nicht darauf eingeht, rufe ich das Gericht der Einhundert zusammen.
Schließlich gibt es noch die Möglichkeit des Entscheides
durch Kampf. Ich stelle mich gern, und ich habe die Absicht, Euch in
diesem Fall zu besiegen.«
Er maß mich schweigend von oben bis unten.
»Euer Gold, Ritter, brauche ich nicht. Das Gericht würde
zu lange brauchen
- inzwischen werden wir beide ungeduldig, und Gromell verhungert,
anstatt zu baumeln. Wir wollen kämpfen. Wer siegt, hat recht.
Dem Sieger gehören Pferd und Rüstung des Verlierers.«
Ich
Weitere Kostenlose Bücher