PR TB 094 Die Zeitmauer
stehen, andere liefen normal
weiter, und wieder andere rasten. Es gibt kaum eine Möglichkeit
der Überprüfung, welche der Uhren nun richtig gehen. Meiner
Schätzung nach befinde ich mich noch immer im vierten
Jahrtausend terranischer Zeitrechnung, wenn uns das Phänomen
nicht in Vergangenheit oder Zukunft versetzt hat.
7. Februar
Niemand kennt unseren Auftrag, niemand das Ziel, und
selbst der Kommandant wird seine letzte Order erst dann erhalten,
wenn wir längst jenseits der Plutobahn sind. Das stört
niemanden, denn wir sind es gewohnt, im unklaren gelassen zu werden.
Start und Abflug verlaufen normal.
I.März
Scheint so, als stießen wir in den unbekannten Westsektor
der Milchstraße vor. Genaue Anweisungen gab Oberst Sherridan
noch nicht bekannt. Die Sternkarten wiesen viele weiße Stellen
auf, oder auch schwarze. Unser Kurs scheint uns auf eine dieser
schwarzen Stellen zu führen, von denen man behauptet, sie seien
mit Sternenstaub angefüllt. Für mich ein Ammenmärchen.
Aus irgendeinem uns unbekannten Grund, so nehme ich an, erreichen
uns die Lichtstrahlen nicht, die von jenen Stellen ausgehen. Denn daß
es auch dort leuchtende Sterne gibt, erscheint mir geradezu
selbstverständlich. Warum also sehen wir ihr Licht nicht? Ist es
zu langsam? Wird es durch gewaltige Gravitationsfelder gehalten und
kann deren Einfluß nicht entweichen?
Wir steuern einen solchen Fleck an.
Bald werden wir also eine Antwort bekommen.
28. März
An diesen Tag kann ich mich noch genau erinnern. Oberst Sherridan
verlas vor der versammelten Mannschaft den letzten Kodebefehl
Terranias. Er hatte ihn vor Verlassen des bekannten Sektors von einem
Kurierschiff überbracht bekommen.
In einer kurzen Vorgeschichte wurde uns berichtet, daß schon
mehrmals Explorerschiffe in den Schwarzen Sektor vorgestoßen,
aber niemals zurückgekehrt seien. Wir sollten es ebenfalls
versuchen. Die Wissenschaftliche Abteilung des Forschungszentrums in
Terrania hatte eine Warnung hinzugefügt und sprach die Vermutung
aus, daß es sich bei der schwarzen Wolke um einen zeitlosen
Sektor der Milchstraße handeln könne, der keine
Lichtstrahlen aussende.
Gut und schön, aber warum kamen die Schiffe dann nicht
zurück? Oberst Sherridan und wir sollten es herausfinden.
7. April
Die letzte Linearetappe brachte uns bis in unmittelbare Nähe
des lichtlosen Sektors. Die EX-756 treibt mit halber
Lichtgeschwindigkeit auf eine schwarze Wand zu, deren Grenzen nicht
zu bestimmen sind. Zwischen uns und dem Unbekannten stehen keine
Sterne mehr.
Die Unruhe an Bord ist merklich gestiegen. Niemand von uns fühlt
sich wohl in seiner Haut. Es ist die instinktive Furcht vor dem
Unbekannten, und während der Freiwache finden sich immer mehr
von uns im Observatorium ein, durch dessen Kuppel sich das Phänomen
deutlich beobachten läßt.
Wir fliegen noch immer mit halber Lichtgeschwindigkeit, aber die
dunkle Region in Flugrichtung wird immer größer. Es sieht
so aus, als wolle ein riesiges Ungeheuer das Universum mit allen
seinen Sternen verschlingen. Die EX-759 fliegt genau in dieses
Ungeheuer hinein.
Zeit... was ist eigentlich Zeit? Ich habe mir nur selten Gedanken
darüber gemacht, aber seit wir unseren Auftrag kennen, wird viel
darüber diskutiert. Wenn ich alle Meinungen zusammenfasse und
sämtliche Argumente durchdenke, dann kommt mir zu Bewußtsein,
daß eigentlich niemand von uns so richtig den Begriff der Zeit
definieren kann. Jeder hat eine andere Erklärung, eine andere
Vorstellung. Die einen sprechen von einem Strom, den wir
hinabschwimmen oder an dessen Ufern wir stehen, die anderen halten
Zeit für etwas Festes, Unabänderliches. Es gibt auch
solche, die allen Ernstes behaupten, Zeit gäbe es überhaupt
nicht, sie entstünde nur durch unsere eigene
Wahrnehmungsfähigkeit, und zwar lediglich in unserer Einbildung.
Also eine Art Illusion.
Wie auch immer, wenn der schwarze Fleck wirklich etwas mit Zeit zu
tun hat, dann gibt es diese Zeit auch...
19. April
Heute gab Oberst Sherridan bekannt, daß wir uns der Grenze
nähern.
Ich habe nicht herausfinden können, wie er diese Grenze
definieren oder feststellen will, denn schon jetzt befinden wir uns
in einem fast sternenlosen Raum. Vor uns gibt es keine Sonne mehr,
kein noch so gering leuchtender Stern. Es gibt sie nur hinter uns.
Aber die Fernortung, so sagt der Kommandant, hat vor uns etwas
ausgemacht. Keine Materie, behauptet er. Auch keine Energiefelder und
Strahlen oder Wellen. Etwas Undefinierbares, das
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