PR TB 100 Der Kontinent Des Krieges
oder aber
sie ahnten mit einem unerklärlichen Instinkt, dass sie noch
heute Abend ihre hungrigen Mägen mit dem Fleisch von Leichen
füllen konnten. Ich wusste im Moment zu wenig, um einen festen
Plan haben zu können. Wir ritten schweigend weiter. Eigentlich,
dachte ich, war ich froh, dass diese menschliche Bestie der Schlag
getroffen hatte, ehe wir den Scharfrichter, ihn im Galopp hinter uns
herschleifend, getötet hatten. Es war besser so.
,Nicht so schnell! Schont die Tiere!“ schrie Glaser aus der
Mitte der Kavalkade.
Wir erreichten den Wald. Die Gruppe teilte sich. Ich bedeutete
Hound, bei uns zu bleiben, und wir brachten die Pferde an einen
Platz, wo sie eine karge Weide vorfanden. Wir selbst setzten uns und
schlangen ein kaltes, ungemütliches Frühstück
hinunter. Dann schnippte ich mit den Fingern und ging schnell mit
Hound, der herbeigesprungen war, in den Wald hinein, bis ich eine
Sitzgelegenheit gefunden hatte. Ich fragte: ,Du warst gestern Nacht
draußen. Was hast du gesehen?“
Sekundenschnell trafen die kleinen Computer im Körper des
Tieres eine Serie von Entscheidungen und suchten die Schlüsselwörter
aus. Der Wolf sagte zwischen den scharfen Fangzähnen heraus:
„Viele Reiter. Zwei Heere bewegen sich. Herbsthausen und
anderer Ort. Ich hörte: Tourenne und Werth.“
„Vergleiche die Spezifikationen. Hast du den gesehen, den
wir suchen?“
,Nein. Es war dunkel. Ich sah einen Reiter, der nach Südosten
ritt. Dorthin reitet niemand.“
,War es der Gesuchte?“ fragte ich.
„Keine positive Identifikation möglich“, schloss
der Mechanismus.
,Gut. Du streifst jetzt hier umher und warnst uns. Richte deinen
Weg auch nach Herbsthausen. Du musst wieder hier sein, wenn der Rest
der Gruppe kommt.“
Irgendwo, unabhängig von uns, jagten jetzt rund fünfzehn
Verfolger hinter Radogyne und ihrem Freund her. Die Jagd schien sich
im Kreis zu bewegen. Woher bekam ich Informationen über die
Verfolger? Was wusste der Falke?
Ich lehnte mich zurück, schob meine Hand unter den
aufgewölbten Brustpanzer und zog den flachen Bildschirm hervor.
Dann klappte ich den Ring auf und betätigte die Fernsteuerung.
Die gesammelten Informationen wurden, bereits ausgewählt,
abgerufen und würden auf den Schirm projiziert werden. Die
ersten Bilder kamen an. Ich sah mich um; keiner meiner Männer
beobachtete mich. Trotzdem hielt ich den handtellergroßen
Bildschirm so, dass niemand die Bilder würde erkennen können.
Ich sah die Infrarotbilder der Siedlungen und der Felder, der
zertrampelten Äcker und der Wälder, die der Falke
überflogen hatte. Keine wichtigen Informationen. Dann erblickte
ich das Gelände nahe Mergentheim, auf das die beiden Heere
zumarschierten. Die Vorhuten wurden in leichte Gefechte verwickelt.
,Was ist das?“ murmelte ich. Das Bild wechselte. Aus der
Dunkelheit der Nacht schälte sich ein Rechteck, viel fach
unterteilt. Hinter den senkrechten und waagrechten Streben flackerte
ein dünnes Licht. Jetzt erkannte ich die Bedeutung. Der Falke
hatte seiner maschinellen ,Neugierde“ nachgegeben und steuerte
in vorsichtigem Flug auf die Öffnung in einer Mauer zu. Sie war
dick vergittert. Die Linsen akkommodierten sich, und ich sah direkt
in eine Kerzenflamme hinein, neben der eine Maus saß und sich
die Schnurrhaare putzte. Wieder veränderte sich die
Feineinstellung, und ich sah das Gesicht und den Körper eines
Gefangenen, der in der Ecke zwischen Boden und Wand lehnte und mit
vier schweren Ketten an der Mauer angeschlossen war. Das Gesicht. Ich
überlegte - war dieses Gesicht identisch mit dem, das die
Robotsonden, von Rico ausgeschickt, aufgenommen hatten?
„Zeit... ich brauche Zeit!“ flüsterte ich.
Der Falke setzte sich vor die Maueröffnung und beobachtete
genau. Dann kam ein Schnitt; ein Zeichen, dass l ange Zeit nichts
Wichtiges vorgefallen war. Eine andere Bildfolge. Ich lachte kurz
auf.
Ich sah, wie sich der Mann van den Fesseln befreite!
,Bei allen Sternen der Galaxis!“ sagte ich verblüfft.
,Er lebt tatsächlich noch!“
Aber dann begriff ich, dass die Aufnahmen eine Nacht alt waren. In
der Zwischenzeit konnte unendlich viel geschehen sein. Ich sah, wie
er die Tür aufschnitt, wie er den Posten tötete, des sen
Ausrüstung an sich nahm und mit dem Kurier davon ritt. Ich sah
den aufgehenden Mond, sah Hound, der die Feststellungen machte, die
ich eben gehört hatte. Und dann sah ich in einer stehenden
Nahaufnahme, die bald in eine Filmschleife überging, das
erschrockene
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