PR TB 104 Samurai Von Den Sternen
hervorzogen.
»Wie steht es um meinen Besitz?« fragte er scheinbar
desinteressiert, als der Sake in flachen Schalen gereicht wurde.
Yodoya und ich erklärten, was wir festgestellt hatten. Es war
die Wahrheit, denn unsere Ehre verpflichtete uns dazu. Wir
schilderten die Lage der Bauern, die Zerstörungen durch das
Beben, den Stand der zu erwartenden Ernte und die wenigen Nachlässe,
die wir in seinem Auftrag gewährt hatten. Eine riesige Menge an
Abgaben und Steuern stand am Ende unter dem Strich.
Schließlich fragte der Herr:
»Und das Gut des Koryusai? Was wird es bringen? Wie stehen
dort die Ernten?«
Ich verneigte mich und erwiderte:
»Euer unwürdiger Diener hat dieses Gut nicht betreten.
Da es nicht Euch gehört, Herr, wagten wir nicht, die Ernte zu
schätzen.«
Shokokuyijs Augen funkelten erregt, er machte eine unwillige
Bewegung und verschüttete etwas Sake. Dann sagte er, etwas
lauter und drohender:
»Du hast es nicht gewagt? Ich bin gewiß, daß ich
einen entsprechenden Befehl gegeben habe!«
Das Schweigen begann unbehaglich zu werden. Yodoya sagte mit
bewundernswerter Ruhe:
»Wir hatten den Befehl, verehrungswürdiger Herr. Aber
wir sind Samurai; wir dürfen nicht zulassen, daß Unrecht
geschieht. Wir verteidigen das Recht, und unter dieser Bedingung sind
wir auch bei Euch in den Dienst getreten.«
Wir saßen starr da. Nur die Kerzenflammen flackerten. Der
Herr zwang sich zur Ruhe und richtete eine weitere Frage an mich.
»Ich will nicht, daß Unrecht geschieht. Aber dieser
Gutshof gehört seit Jahrhunderten zu meinem Besitz. Er ist mir
abgabenpflichtig.«
Ich erwiderte gemessenen Tones:
»Der dritte Shogun selbst, der gottähnliche und
bewunderungswürdige Iemitsu, hat mit einem Gesetz bestimmt, daß
der Hof von Koryusai zum Land des Herrn Tawaraya gehört. Ihr
wißt es wie wir unwürdige Diener.«
Yodoya verneigte sich abermals und fuhr fort:
»Verlangt nicht von uns, die Ernte zu schätzen. Und
wenn Erntezeit ist, werden wir auch nicht mit Euch gegen Tawaraya
kämpfen, denn es ist Unrecht. Seht dieses Unrecht ein, Herr, und
wir bleiben in Eurem Dienst. Sonst verlassen wir Euch - noch heute.«
Die Unterhaltung wurde in normalem Tonfall geführt. Selbst
Shokokuyij, der von starker Erregung gepackt worden war, bekam nur
eine etwas heisere Stimme, als er sagte:
»Ataya! Was hast du meiner Tochter gesagt? Welche
verabscheuungswürdigen Worte hast du ihr ins Ohr geflüstert?«
Ich richtete mich auf und legte die Hand an den Schwertgriff. Die
wachsamen Augen meines Freundes beobachteten mich. Yodoya rührte
sich
nicht, aber ich wußte, daß er blitzschnell aufspringen
und handeln würde, wenn es notwendig war. Ich sagte
liebenswürdig:
»Herr, Eure Tochter war, als ich sie unter dem Göttertor
hervorzog, bewußtlos. Ihr Geist weilte vorübergehend bei
den Ahnen. Ich habe kein einziges Wort zu ihr gesagt, weil sie es
nicht gehört hätte. Eure Gedanken, Herr, sind wohl etwas
vom Pfad der Vernunft abgewichen, sonst würdet Ihr mich nicht in
dieser Form beschuldigen.«
Er fuhr zurück, schüttete sich Sake ein und murmelte:
»Ich kann es nicht ändern. Laßt euch von dem Mann
an meiner rechten Seite den Lohn auszahlen, sattelt eure Pferde und
verlaßt mich. Ich brauche keine Samurai, die Befehle verweigern
und meinen Töchtern Dinge versprechen, die sie nie einlösen
können.«
Yodoya beherrschte sich mustergültig, und selbst ich begriff,
daß wegen weitaus geringerer Kleinigkeiten schon Schwertkämpfe
stattgefunden hatten. Nur der Umstand, daß wir in seinem Dienst
standen, rettete Shokokuyij das Leben. Wir verneigten uns, standen
auf und gingen hinaus, die Hand am Schwertgriff. Die Dienerinnen
wichen vor uns zurück, und als ich vor einer Schiebetür
stehenblieb, fühlte ich, wie eine junge Dienerin mir einen
zusammengerollten Papierstreifen in die Hand drückte. Ich nickte
ihr unmerklich zu und folgte Yodoya, der wortlos aus dem Herrenhaus
ging. Seine Erregung zeigte sich nur dadurch, daß er schneller
ging und wuchtiger auftrat als sonst.
Die Situation hat sich eindeutig zu euren Gunsten geklärt!
flüsterte der Extrasinn, als wir über die kiesbedeckten
Wege zurück in unser kleines Haus gingen. Wir blieben im Schutz
des heruntergezogenen Daches stehen, und ich sagte:
»Wir reiten zur Samuraischule, Yodoya?«
»Ja«, sagte er bitter. »Ich glaube, ich brauche
einige Wochen Unterweisung im Zen. Ich hätte mich in meiner Wut
beinahe vergessen und den Herrn niedergeschlagen.«
Wenn
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