PR TB 104 Samurai Von Den Sternen
und gingen ins
Haus zurück. In dieser Nacht schlief ich unruhig, denn meine
Gedanken waren beim Raumschiff, bei Nectrion und bei Tairi No Chiyu,
dem Mädchen, das ich bewußtlos gefunden hatte.
***
Das Pferd und auch der Mann im Sattel machten einen abgehetzten
Eindruck. Ich sah den großen, flachen Helm mit dem langen
Nackenschutz und den flatternden Bändern an den silberfarbenen
Luchsschädeln als Silhouette auftauchen, als ich gerade den
letzten Schuß ins Ziel jagte.
»Wer kommt?« fragte der Lehrer, ohne seine Haltung zu
verändern.
»Yodoya!« sagte ich, machte die Atemübungen und
stellte den Bogen zurück. Dann verbeugte ich mich vor dem
Meister und setzte mich auf die Kissen. Der Hufschlag kam näher.
Nach einem Aufenthalt von weniger als fünfzehn Tagen hier in der
Bogenschule kam Yodoya von seiner Mission zurück. Er versorgte
sein Pferd und kam dann langsam durch den Garten, verbeugte sich
mehrmals vor dem Meister und setzte sich schließlich, als ihm
eine Schale Tee angeboten wurde. Dann löste er den Helm,
breitete die
Schöße des ledernen Rockes aus und sagte:
»Rundherum ist alles ruhig und meist zufrieden. Aber um den
Zankapfel, einen riesigen Bauernhof mit Obstgarten, viel Reis und
Hühnern, wird es Kampf geben.«
Ich erkundigte mich vorsichtig:
»Bist du in eine Lage gekommen, in der ich dir hätte
helfen können?«
Er zeigte in einem schnellen, raubtierhaften Lächeln seine
Zähne und erwiderte:
»Ich lebe und bin unverwundet. Hat der Schüler einige
Fortschritte gemacht, Meister Wakadoshiyori?«
Der Lehrer verneigte sich gegen mich und erklärte bündig:
»Es gibt nichts, was ich ihn noch lehren könnte.«
Auf Yodoyas Gesicht zeichnete sich maßloses Erstaunen ab.
»Alles hätte ich gedacht, aber das auf keinen Fall!«
Der Meister und ich schwiegen höflich. Dann berichtete Yodoya
Mootori, was er entdeckt und erfahren hatte.
»Seit Generationen geht ein Streit zwischen den beiden
Herren, deren Landesgrenzen aneinander stoßen. Es geht um
diesen fruchtbaren Hof voller fleißiger Menschen. Jeder
beansprucht Menschen, Land und Ernte für sich. Und immer wieder
trafen sich die Kämpfer auf diesem Hof und kämpften
gegeneinander. Sechsmal in der Geschichte besiegte die Familie
Tawaraya die Männer des Herrn Shokokuyij.«
»Ihr seid Männer dieses Herrn Shokokuyij?« fragte
der Lehrer.
»Ja. Wir sind im Augenblick seine einzigen Samurai«,
erwiderte ich.
Der alte Mann erklärte:
»Seit Jahrhunderten ist immer wieder um dieses Gehöft
Streit entbrannt. Der Hof ist kraft Gesetzes von Iemitsu, dem dritten
Shogun, zum Land der Familie Tawaraya geschlagen worden. Mag sein,
daß die Wirren der Zeit und des Shimabara-Aufstandes die
Dokumente vernichtet haben, aber jeder weiß, daß es so
ist. Ihr beide kämpft nicht auf der Seite dessen, der das Recht
hat.«
»Noch ist kein Kampf angesagt!« meinte der Samurai.
Der Lehrer winkte ab und sagte heiser:
»Noch ist nicht Ernte. Früher oder später werden
sie wieder um den Besitz streiten. Es wird als nicht sehr ehrenvoll
angesehen, auf Seiten von Shokokuyij zu sein, meine Freunde.«
»Deswegen also besitzt er keine eigenen Samurai«,
stellte Mootori trocken fest.
»Ich gebe euch beiden den Rat, dem Herrn den Dienst zu
kündigen, ehe ihr in einen Streit verwickelt werdet, der absolut
ehrlos ist!« sagte der Lehrer mit Bestimmtheit. »Nichts
anderes hätte euch der Weise Mann im Tempel gesagt, hätte
er von dem Gutshof gewußt.«
Wir verbeugten uns und sagten:
»Wir danken für diesen Rat. Und, Vater, wo kann ich die
Schwertführung lernen?« fuhr ich fort und blickte ihn an.
»Ich werde dir abermals einen Brief an den Leiter der
Samuraischule geben. Er wird darin lesen, wie talentiert du bist,
Ataya!«
»Ich danke dir!«
In Edo war einst eine Verschwörung gegen den Shogun entdeckt
worden, und seit dieser Zeit war man allerorten bemüht, die
ronin, also die nichtansässigen und meist armen Samurai in die
Verbände kleiner Gruppen einzugliedern. In dem starren
Kastensystem war dies schwer möglich, und so gab es eine Reihe
von Samurai, die von Herrn zu Herrn zogen, sich verdingten, den
Dienst wieder verließen oder darin getötet wurden. Auch
brachten sich viele gegenseitig um, weil einer von ihnen den anderen
beleidigt hatte. Arzt, Lehrer oder Priester, oder aber wandernder
Samurai -das waren die beruflichen Möglichkeiten, die Männern
wie uns blieben. Aber wie hatte es Nectrion geschafft, als Samurai in
jene Familie aufgenommen zu
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