PR TB 104 Samurai Von Den Sternen
er wirklich wütend gewesen war, dann hatte ich
jedenfalls davon nichts gemerkt.
»Wir gehen!« sagte ich. »Während ich in der
Schule bin, wird sich für dich ein Ort finden, an dem du
angenehm wohnen kannst.«
Er starrte mich an, nickte dann und meinte nach einer Weile:
»Wir packen. Je eher wir diese Burg verlassen haben, desto
weniger wird unsere Ehre angetastet.«
Eine Stunde später ritten wir mit unseren vier Tieren durch
die Schlucht zwischen den Mauern hinaus. Wir galoppierten drei oder
vier Stunden lang, bis wir uns der Grenze des Gebietes unseres
ehemaligen Herrn näherten. Die Sterne begannen schon zu
verblassen, als wir unser Lager an einer geschützten Stelle
aufschlugen. Wir fesselten den Pferden die Vorderfüße und
entfachten ein kleines, unauffälliges Feuer. Dann zog ich den
Papierstreifen aus dem Gürtel und rollte ihn auf. Ich begann zu
lesen.
Bisher, verehrungswürdiger Samurai Ataya, hat noch nie die
Hand eines
Mannes meinen Körper berührt. Ich runzelte die Stirn.
Der erste Liebesbrief meiner Jahrtausende; offensichtlich. Ich las
weiter. Niemals werde ich den Morgen nach dem Beben vergessen und
dich, wie du mich ins Haus getragen hast. Ich weiß, daß
du gehst, aber ich glaube daran, daß unsere Wege sich einmal
treffen werden. Tairi No Chiyu.
Yodoya schaute auf und fragte kurz:
»Die Tochter? Die Riesin, wie sie genannt wird?«
»Ja«, sagte ich und warf den Streifen ins Feuer. Das
Papier verbrannte und segelte als Rußflockchen in die Höhe.
»Dann hast du es also auch erfahren«, sagte der
Samurai.
Er hat es vor dir bereits gewußt! kommentierte der
Extrasinn.
»Verehrungswürdiger Freund«, sagte ich langsam
und grinste. »Die Tochter des Mannes, der uns entlassen hat.
Ich, ein ronin, der sich niemals mehr dort sehen lassen kann, soll
dieses Mädchen. etwa heiraten?«
Er mußte den Unterton von Entsetzen aus meiner Stimme
herausgehört haben, denn er lachte laut und schallend. Er warf
mir die Sakeflasche zu und lehnte sich zurück.
»Niemand weiß über den Weg, den er geht«,
sagte er leise und beschwörend. »Sie ist eine Schönheit,
obwohl ich friere, wenn ich ihre Größe sehe. Sie ist nicht
dumm, und die Dienerinnen sagen, daß es ihr schwerfällt,
die Sitten einzuhalten. Es wird sich niemand finden, der sie
heiratet, und aus diesem Grund würde ich an deiner Stelle
warten.«
»Du meinst, daß sich unsere Wege kreuzen könnten?«
fragte ich und wußte, daß es wohl kaum der Fall sein
würde.
»Auf dieser Welt ist fast nichts unmöglich.«
»Meinethalben«, sagte ich. »Die Gedanken an
Tairi werden mir die bitteren Stunden in der Samuraischule versüßen
wie der Saft des Zuckerrohres.«
»Der, wie wir wissen, klebrig ist«, sagte er und
lächelte.
Wir schliefen bis in den Mittag hinein, aßen ausgiebig und
ritten weiter, der kleinen Stadt im Süden entgegen, in der die
Samurais ausgebildet wurden. Dort sollte ich meine letzte Schulung
bekommen. Ich ahnte nicht, was mich erwartete.
8.
In guten Zeiten soll man schlechte Tage nicht vergessen; in
Friedenszeiten aber soll man an den Krieg denken.
Yang-Hu
Als wir in der Schule ankamen, machte ich bereits die erste üble
Erfahrung. Wir kamen an, stellten uns vor, zeigten die
Empfehlungsschreiben und legten unsere Ahnenrollen vor. Wir wurden
befragt und begutachtet, und schließlich verlangte man mein
Schwert.
Ich zog es aus dem Gürtel und hielt es, wie es vorgeschrieben
war, dem Lehrer hin. Er wog es in der Hand, lachte verächtlich
auf und streckte mir das Schwert entgegen, den Griff voran.
»Zieh es aus der Scheide, Ataya!« sagte er.
Ich zog das gekrümmte Schwert mit dem langen, sauber
gearbeiteten Griff heraus und blieb abwartend stehen, in der
Grundhaltung, die ich von Yodoya gelernt hatte. Der Lehrer sagte:
»Führe einen Schlag gegen mich!«
Ich gehorchte und schlug zu. Ich bemühte mich, einen
richtigen Schlag schnell anzubringen. Noch ehe ich die Bewegung
ausgeführt hatte, war der Lehrer mit einem gewaltigen Sprung
zurückgewichen und lachte. Seine Augen hatten keinen
Sekundenbruchteil lang die Klinge und mein Handgelenk losgelassen.
Dann sagte er fast verständnisvoll:
»Mit diesem Schwert, das, zugegeben, einen schönen
Griff besitzt, könnte nicht einmal ein Meister umgehen. Es taugt
nichts.«
Demut gegen den Lehrer, Verständnis für alles, was er
sagt! warnte das Extrahirn, indem es aus dem Buch der Samurai
zitierte.
»Meister«, sagte ich und verbeugte mich wieder, »ich
habe dieses Schwert
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