PR TB 104 Samurai Von Den Sternen
nacktem Fels auf.
Auch hier hatten wir fast um die ganze Linie des Mauerringes Felsen
weggeschlagen - die Angreifer mußten einen schrägen Hang
hinaufreiten und sahen sich senkrechten Mauern mit Schießscharten
gegenüber, die von gedeckten Häusern mit Wehrgängen
gekrönt waren. Das Geflecht aus Stroh, das wir für die
Dächer verwendet hatten, war mit Lehm brandsicher gemacht
worden. Der unterirdische Gang, der vom Herrenhaus in die Burg
führte, war ausgebaut und mit einer Reihe von Fallen versehen
worden.
Als ich das Zimmer verließ, rannte ich beinahe in Herrn
Tawaraya hinein. Wir entschuldigten uns mehrmals, dann sagte der
Herr:
»Ich rechne mit einem Angriff, Ataya. In zwei Tagen beginnen
wir an vielen Stellen mit der Ernte.«
»Wir werden fertig!« versprach ich. »Wir haben
nur noch Eide zu bewegen und das Notlager anzulegen. Sammelt alle
Hilfskräfte, Herr, und schickt sie uns. In zwei Tagen brauche
ich niemanden mehr.«
Er lächelte kurz und sagte sorgenvoll:
»Das höre ich gern. Wenn dieser Narr angreift, dann
werde ich genötigt sein, das Problem ein für allemal aus
der Welt zu schaffen, beim Schrein!«
Ich fragte zurück:
»Ist das nicht ein Fall für das Shogunat?«
Er lachte kurz und erwiderte bitter:
»Der Shogun sitzt in Edo, weit weg von hier, auf der
östlichen Seite des Insel. Bis der Shogun eingreift oder Truppen
schickt, sind wir alle tot oder wehrlos. Diese Fehde muß
zwischen den beiden Daimyo ausgetragen werden. Das Recht hat in
diesem Fall der Überlebende.«
Ich hob die Schultern und fragte mich, ob das klug war, aber im
Augenblick sah auch ich keine andere Möglichkeit. Siegte die
Unvernunft, gab es Kampf.
Wurde gekämpft, mußte ich mit Tawaraya kämpfen.
Wir gingen hinauf zur Burg, die einen Durchmesser von etwas mehr als
fünfzig Metern hatte; eine kleine, aber wohldurchdachte Anlage.
Wir räumten überall auf dem Hügel die Erde weg,
verstärkten mit ihr die Mauern von innen, schufen einen ebenen
Platz, der übersichtlich war, und ein paar beherzte Männer
reinigten auch den Brunnen, der hier vor vielen Jahrzehnten gebohrt
worden war. Der Hügel bestand aus Felsen, die unregelmäßig
hochgeschoben worden waren, und dazwischen lagen Geröll und
Erde. Nach zwei Tagen ließen wir probeweise mehrmals das
schwere Tor öffnen und schließen, und ich war überzeugt,
daß es zumindest sehr schwer war, in diese kleine Festung
einzudringen.
Wir schlossen die Arbeiten ab und wandten uns anderen Dingen zu.
Ich hatte bemerkt, daß Nectrion, oder Nemuro, jeden Handgriff,
jede Zeichnung und jede Überlegung von mir bewunderte, als sei
sie eine kulturelle Großtat. Entwickelte ich meine Überlegungen
weiter, dann drängte sich mir zumindest die starke Vermutung
auf, daß er hier war, um zu lernen. Gewißheit hatte ich
keine, aber in der folgenden Nacht summte mein Funkgerät. Ich
nahm es auf, schlüpfte in die Stiefel und machte einen
Spaziergang im Park.
Rico teilte mir mit, daß Nectrion wieder eine lange
Funkbotschaft an sein Schiff durchsagte, und ich beschloß, ihn
unsicher zu machen. Vielleicht verriet er sich etwas. Ich schaltete
ab und näherte mich geräuschvoll dem Fenster seines
Zimmers. Ich hörte ihn murmeln. Ich wartete kurz, dann klopfte
ich gegen den Rahmen. Sofort brach das Murmeln ab. Nectrion bewegte
sich hastig in der Dunkelheit.
»Wer ist da?«
Nectrion riß die Tür auf, duckte sich und hielt sein
Schwert in der Hand. Ich hob den Arm und sagte ruhig:
»Ich bin es, Ataya. Du bist auch unruhig?«
»Ja.«
»Ich konnte nicht schlafen. Ich dachte, als ich mich im Park
erholen wollte, es wäre gut, mit dir zusammen etwas Sake zu
trinken. Dann hörte ich dich murmeln; verrichtest du Nachts
Gebete?« fragte ich leichthin.
Er ging ins Zimmer zurück, schob im Licht des halben Mondes
das Schwert in die Scheide und entzündete eine dicke Kerze.
»So etwas Ähnliches«, gab er unwirsch zur
Antwort. »Nein, dies sind die Nächte im Sommer, in denen
man schlecht schläft. Das Blut ist zu heiß, und man denkt
an Frauen und allerlei unnütze Dinge.«
Ich lachte und schaute mich nach dem Sake-Behälter um. Dann
meinte ich gutgelaunt:
»Ich bin nicht der eifrigste Verehrer einer weißen,
schlanken Hand oder einer Haarflechte, aber daß Frauen unnütze
Dinge sind, höre ich heute zum erstenmal - von einem Mann
jedenfalls.«
Er goß den Sake ein und meinte versonnen:
»Für jeden Wanderer sind Frauen ein Hemmschuh und eine
Barriere dazu. Du bist ein Wanderer und nicht
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