PR TB 113 Die Söhne Sols
eine Metallstange, die über
ihr aus der Wand ragte. Auf diese Weise konnte sie sich langsam unter
dem Packen hervorziehen. Als sie stand, mußte sie sich weiter
festhalten, denn der Boden fiel steil nach unten ab. Außerdem
hatte sie zittrige Beine. Das Schiff oder das, was von ihm
übriggeblieben war, schien schräg im Boden des fremden
Planeten zu stecken.
Deborah konnte erst jetzt das gesamte Ausmaß der Katastrophe
überblicken. Allein in der Nähe des aufgeplatzten Schotts
lagen Hunderte von Toten.
„Hallo!" rief sie. „Hallo! Hört mich
niemand?"
Es blieb still. Der Wind verfing sich hoch über ihr in der
entstandenen Öffnung und erzeugte ein summendes Geräusch,
das sich wie Wehklagen anhörte.
Der Schock überwältigte die Überlebende. Sie ließ
sich zu Boden sinken.
Sollten alle anderen tot sein?
Dann wollte sie ebenfalls möglichst schnell sterben.
Der Gedanke an ihr Kind, das in ein paar Tagen geboren werden
sollte, verlieh ihr neue Kraft. Bestimmt hatten ein paar
Besatzungsmitglieder überlebt. Wahrscheinlich waren sie irgendwo
draußen im Freien, um sich nach einer sicheren Unterkunft
umzusehen.
Nach einiger Zeit richtete sich Deborah DeStaglaav wieder auf.
Auf der anderen Seite der Halle entdeckte sie ein zweites Leck.
Sie arbeitete sich darauf zu. Dabei konnte sie nicht verhindern,
daß sie tote Aussiedler berühren mußte. Viele von
ihnen waren auf schreckliche Weise entstellt.
Deborah erreichte das Leck und kroch hinaus. Sie befand sich in
einem mit Trümmern der FAMILY übersäten Krater, der
beim Aufschlag des Schiffes entstanden war. Die Hülle des
Schiffes war geborsten wie eine Eierschale; Maschinenanlagen,
Vorräte, Passagiere und Besatzungsmitglieder waren
hinausgeschleudert worden. Wie durch ein Wunder war die Halle, in der
Deborah sich aufgehalten hatte, fast unversehrt geblieben.
Die Frau entdeckte eine Landestütze, die wie ein drohend
erhobener Riesenfinger aus dem Boden ragte. Unmittelbar nach dem
Aufprall mußte es zu einer Serie von Explosionen gekommen sein.
Deborah sah die Spuren großer Stichflammen.
Einzelne Trümmerteile waren ausgeglüht. Das Chaos war
vollkommen.
Zwischen den Überresten des Schiffes lagen Raumfahrer und
Aussiedler. Die meisten von ihnen sahen noch schlimmer aus als die
Toten in der Haupthalle.
„Hilfe!" schrie Deborah.
Niemand antwortete ihr. Sie kletterte über ein Stück der
ehemaligen Schiffshülle hinweg und erreichte den Rand des
Kraters. Von der Planetenoberfläche sah sie nicht viel.
Der Himmel über ihr war dunkelblau, ein paar Wolkenfetzen
trieben über dem Krater dahin. Die Luft war warm.
Noch einmal rief Deborah um Hilfe.
Sie suchte sich einen Platz, von dem aus sie fast den gesamten
Krater übersehen konnte. Einmal glaubte sie, eine Bewegung
wahrzunehmen, aber es waren nur ein paar Stoffetzen, die zwischen den
Trümmern hingen und sich träge im Wind bewegten.
Ein schrecklicher Gedanke machte sich in ihr breit.
Sie war die einzige Überlebende der FAMILY!
Wie sollte sie ihr Kind zur Welt bringen?
Unwillkürlich suchten ihre Blicke nach einer Waffe, mit der
sie ihrem Leben ein Ende bereiten konnte.
In diesem Augenblick erschien oben am Kraterrand eine Gestalt.
Deborah sah sie aus den Augenwinkeln. Mehr erschrocken als
erleichtert fuhr sie herum.
Die Gestalt war ein Roboter.
Sie hatte die Allzweckautomaten während des Fluges an Bord
der FAMILY ein paarmal gesehen. Derek hatte ihr erklärt, daß
die Roboter beim Aufbau der Kolonie helfen sollten.
Der Allzweckroboter besaß einen ovalen Körper, der
knapp einen Meter lang war und an der dicksten Stelle vierzig
Zentimeter maß. Genau in der Mitte ragten zwei biegsame
Greifarme aus dem Stahlkörper. Der Roboter besaß keine
Beine, er bewegte sich auf energetischen Prallfeldern. In einer
kopfähnlichen Verdickung auf der Rückseite des Körpers
war die Positronik untergebracht.
Deborah hob einen Arm und winkte.
„Hallo!" rief sie. „Komm herunter!"
Sie wußte nicht, ob der Automat sie verstehen konnte.
Eigentlich wußte sie überhaupt nichts von Robotern. Sie
hatte sich in ihrem Leben nie um technische Dinge gekümmert. Auf
der Erde war sie täglich mit den verschiedenartigsten Robotern
zusammengetroffen, aber sie hatte sie als selbstverständlich
hingenommen und sich niemals Gedanken über sie gemacht.
Lautlos schwebte die Maschine zu ihr herab.
Deborah sah sie mißtrauisch an.
„Kannst du mich verstehen?" fragte sie.
„Ja", sagte der Roboter. Seine Stimme
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