PR TB 116 Söldner Fur Rom
haßte die Menschen, die sie
bewohnten. Ich haßte die Art, wie Rom als neue Hydra ihre Köpfe
nach allem ausstreckte. Es gab einen Mann, den ich noch mehr haßte
- das war der dunkelhäutige, fette Kerl, der auf der Planke des
Zwischenganges hin und her ging und uns mit seiner Peitsche prügelte,
wenn wir seiner Meinung nach die gewaltigen Ruder nicht kräftig
genug durchzogen. Wir alle waren an das Schiff gekettet, das jetzt
die Leuchtfeuer und die Rauchsäulen der äußersten
Hafenpunkte passierte.
Von Antiochia bis hierher hatten wir, mit nur einem Tag Ruhe,
ununterbrochen gerudert.
Vier Männer waren an Entkräftung gestorben und den Haien
vorgeworfen worden. Aber in wenigen Stunden würde das Rudern
aufhören - vielleicht nur deshalb, weil wir den Hafen der Stadt
Rom erreicht hatten und eine neue Teufelei auf uns wartete.
Oder auf einen Teil von uns.
„Ich hoffe, daß ich in meinem Leben niemals wieder ein
Schiff sehe!" flüsterte ein
ausgemergelter Syrer neben mir. Wir wußten inzwischen fast
alles voneinander; ich hatte ihm gesagt, daß ich ein wandernder
Söldner sei.
„Ich hoffe, daß ich in einer dunklen Gasse den Mann
mit der Peitsche sehe", sagte ich ebenso leise. „Mein
Dolch ist ihm sicher."
„Unnötig. Die anderen hier zerreißen ihn mit
bloßen Händen in Fetzen!"
Das Schiff näherte sich der Mole. Kommandos ertönten.
Die Ruder wurden eingezogen, das Schiff wurde vertäut. Wir waren
am Ziel. Für jeden von uns auf diesem Schiff, an oder unter
Deck, sah dieses Ziel anders aus. Für die meisten hieß es:
Tod.
„Du willst flüchten?" fragte der Syrer.
„Ich versuche es!" stimmte ich zu.
Einen Tag später wußte ich, daß an eine Flucht
nicht zu denken war. Ein schwarzhaariger Römer betrat den Raum
der Ruderer und rümpfte die Nase, als er den Schweißgestank
einiger hundert Menschen roch. Er ging auf der Planke entlang und
musterte uns schweigend.
„Das ist Vinicius. Marcus Vinicius, genannt der Schlächter!"
sagte mein Nebenmann, als Marcus außer Hörweite war.
Er kam zurück und deutete auf etwa fünfundzwanzig von
uns.
Der letzte, auf den sein ringgeschmückter Zeigefinger
deutete, war ich.
„Bringt sie nach oben. Ich werde mir einen kleinen Triumph
gönnen!" sagte er.
Ich starrte den „Schlächter" schweigend und mit
ausdruckslosem Gesicht an. Ein scharfer Peitschenhieb traf mich, als
sich der Schlüsselträger bückte und vorsichtig,
geschützt durch die Lanzen einiger Zenturionen, die Kette löste.
Nacheinander standen mit zitternden Knien fünfundzwanzig Männer
auf und wurden hinausgebracht. Wir taumelten und blinzelten, als wir
das Deck erreichten und uns im hellen Licht des Vormittages befanden.
Ein stechender Geruch nach gebratenem Fisch, der von einem der vielen
Lagerhäuser Ostias herüberwehte, ließ unsere Mägen
knurren. Ich hielt mich, wie ich hoffte, unauffällig im
Hintergrund und musterte die Erscheinung des Vinicius sehr genau.
Ein großer, kräftiger Mann. Er sah in der funkelnden
Rüstung nicht schlecht aus, aber unverkennbar waren Grausamkeit
und Härte in seinem Gesicht. Er war glattrasiert, und daher war
seine Gesichtshaut gerötet. Etwa vierzig Jahre alt, etwas zuviel
Fett, aber ein Stier von einem Mann. Wenn er wütend war, würde
er einen Mann mit einem einzigen Faustschlag töten können.
Vielleicht hatte ich irgendwann einmal Gelegenheit, ihm zu beweisen,
was ich von ihm dachte.
„Ihr Gesindel", sagte er mit verachtungsvoller Stimme
zu uns, „werdet jetzt wieder angekettet. Ihr werdet meinem
Wagen folgen. Wenn einer stolpert - und ich rate keinem, zu stolpern
oder gar umzufallen -, wird er so lange gepeitscht, bis er
weiterlaufen kann. Los jetzt, mein Wagen wartet!"
Ehe wir über eine wippende Planke getrieben wurden, hörte
ich noch, wie ein betrunkener Legionär lallte:
„Und mein Vater, er hat leibhaftig gegen Vercingetorix
gekämpft!"
Mein Einzug in Rom war mehr als bitter. Ich selbst, ein
ausgemergeltes Etwas mit wucherndem Bart, ungewaschen und mit vielen
entzündeten Wunden von Insektenbissen, mit den Striemen der
Peitsche auf dem Rücken, halb verhungert, halb verdurstet, mit
zerfetzten Stiefeln und vor Dreck starrenden Kleiderfetzen, mit
blutenden Handflächen, war mit den Handgelenken an eine Kette
gefesselt, die durch einen Ring an meinem Hals führte. So
trottete ich als siebzehnter in einer langen Reihe von Gefangenen
hinter dem prächtigen Gespann des Vinicius dahin. Die engen,
lärmerfüllten Straßen der Millionenstadt
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