PR TB 116 Söldner Fur Rom
mit beiden Händen in den Leib rammte und
den Sterbenden zehn Schritte weit mitriß, ehe er ihn ins Feuer
stieß. Neben ihm riß das gerötete Horn des Stieres
einem Angreifer die Därme aus dem Leib. Ktesios sprang in die
Luft, landete auf dem Rücken des rasenden Tieres und hob den
Arm. Ich sah den langen, flammenförmigen Dolch in seiner Hand.
Dann senkte sich der Arm.
Das Tier wurde dicht hinter dem Kopf, im Nacken, getroffen und
fiel auf der Stelle tot um. Seine Läufe schlugen noch ein
paarmal, aber da war der Syrer in seinem langen, gelben Gewand schon
heruntergesprungen und rannte hinaus in die Dunkelheit.
Flavius!
Ein Römer hatte ihn voll mit dem Schwert auf den Helm
getroffen. Von hinten rannte ein Angreifer auf ihn zu, das Schwert
wie ein pilum ausgestreckt. Ich löste den Pfeil. Er heulte eine
Handbreit neben dem Ohr des Freundes vorbei und durchbohrte den
Panzer des Römers, dicht unter dem Herzen.
Ein gellender Schrei, unnatürlich hoch, durchschnitt die
vielfältigen Laute. Ich hängte den Bogen weg, riß
Schwert und Schild an mich und schaltete das körpereigene
Abwehrfeld ein. Dann rollte die Leiter nach unten, ich kletterte
schnell hinunter und betrat hastig den Kampfplatz.
„Hierher, Askhan! Hier lebt noch einer!" schrie ein
Legionär.
Ich wandte den Kopf. Nur noch an vier Stellen wurde gekämpft.
Die vier fremden Männer, wie Legionäre ausgerüstet,
hatten sich bis zur Wand der Scheune zurückgezogen und kämpften
dort tapfer nebeneinander mit den Schwertern. Das Schwert des ersten
brach, und einer meiner Männer schleuderte, plötzlich
zwischen den Verteidigern auftauchend, seinen Speer mit einer solchen
Wucht, daß er den Angreifer buchstäblich in die Mauer
dübelte.
Der zweite Mann starb, weil sich Ktesios zwischen die Kämpfenden
warf und ihm mit einer einzigen Bewegung die Kehle durchschnitt.
Die beiden anderen Männer ergaben sich.
Flavius trat, noch ehe ich sie erreicht hatte, vor sie hin und
schrie:
„Die Helme ab!"
Mit zitternden Fingern lösten sie die Helmriemen. Mit zwei
furchtbaren Schlägen schlug ihnen der Zenturio die Köpfe
ab. Dann stieß er das Schwert dreimal bis ans Heft in die Erde
und schob es zurück in die Lederscheide.
„Der Kampf ist aus, Freund Askhan!" sagte er.
Ich schaltete das Abwehrfeld ab. Während die Männer auf
mich einredeten, hörte ich immer wieder Geräusche, die mich
an schluchzendes Stöhnen erinnerten. Ich wurde unruhig. Der
Extrasinn meldete sich:
Ktesios!
Ich wandte mich um und sah im schwachen Licht der niederbrennenden
Strohfeuer den Syrer. Er huschte von einem der gefallenen Männer
zum anderen. In seiner Hand funkelte der Dolch. Er leistete
gründliche Arbeit: Den verwundeten Angreifern schnitt er die
Kehlen durch. Als ich ihn erreichte und an der Schulter zurückriß,
faßte ich in blutgetränktes Gewand. Ich schrie ihn an:
„Bist du wahnsinnig! Sie waren verwundet."
Er richtete sich keuchend auf, sein Gesicht war eine Grimasse, als
er ausspuckte.
„Jetzt nicht mehr!" sagte er in unfaßbarer Ruhe.
Er breitete die Arme aus, wischte den Dolch in den Falten des
blutbespritzten gelben Gewandes ab und sagte:
„Sie hätten es mit jedem von uns ebenso gemacht,
Askhan. In deinem Land scheint man zu viel Milde zu kennen. Oder sich
Ritterlichkeit leisten zu können. Nicht aber im Rom des Nero.
Und jetzt lasse mich in Ruhe - ich brauche ein reinigendes Bad und
viel Wein. Ich habe zu vergessen."
Ich blickte fassungslos zu Boden.
Erinnere dich an die Erzählungen Ktesios'! Erinnere dich, wie
Arria von den Löwen zerfleischt wurde! kommentierte mein
Extrasinn.
Meine Männer versammelten sich um mich. Sie bildeten einen
großen Kreis. Flavius schrie einigen scheu herankommenden
Sklaven zu, sie sollten die Feuer wieder entfachen und den Stier
abhäuten und zerlegen und alles für ein Schlachtfest
bereiten.
„Wieviel Männer sind tot?"
Flavius räusperte sich, nickte und sagte dann, nachdem er
wieder zu Atem gekommen war:
„Alle."
„Wieviel?"
Ktesios schien seinen grausigen Rundgang beendet zu haben und gab
Auskunft. Er sah an seinem Gewand herab, packte es mit beiden Händen
und biß in den Saum des Halsausschnittes. Dann riß er die
Übertunika in zwei Teile und knurrte:
„Ich habe vierundfünfzig Tote gezählt, Freund
Askhan."
Jetzt kamen immer mehr Sklaven aus ihren Verstecken hervor. Zwei
Pferde schleppten den schweren Körper des Stieres über den
Hof und auf eine Plattform aus weißen Brettern.
„Vierundfünfzig
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