PR TB 139 Die Sonnengeister
ihrer Nacktheit nicht; aber sie erkannte die
Gefahr, die in der Gier des Mannes lauerte.
»Scheren Sie sich hinaus, Terhaan!« fuhr sie ihn an.
»Sie haben hier nichts verloren! Bekker und Sunik sind auf der
Suche nach Ihnen!«
»Das weiß ich«, grinste Terhaan. »Ich wich
ihnen aus und kam hierher. Dachte, Sie womöglich alleine zu
finden!«
»Das haben Sie. Undjetzt hauen Sie ab!« fauchte Norma
ihn an.
Nibor Terhaan war sein Leben lang ein vernünftiger Mann
gewesen, der sich seine Prioritäten nach den Vorschriften der
Tradition gesetzt hatte: erst die Arbeit, dann der Spaß. Er
hatte sich keines einzigen Verbrechens schuldig gemacht und war ein
Mensch, mit dem jedermann ohne Schwierigkeiten auskommen konnte. Erst
seit dem Augenblick, da er Norma Singer zum ersten Mal gesehen hatte,
war er wie verwandelt. Sie ging ihm nicht mehr aus dem Sinn. Er war
in der Tat Bekker und Sunik aus dem Weg gegangen und hier hergekommen
in der Hoffnung, Norma alleine zu finden. Er hatte keine genaue
Vorstellung gehabt, was er tun oder sagen solle, wenn er wirklich auf
Norma traf. Jetzt hatte ihm das Schicksal die Entscheidung aus der
Hand genommen. Der Anblick der Frau, wie die Natur sie geschaffen
hatte,
schaltete Terhaans logisches Denkvermögen völlig aus.
»Lassen Sie mich bleiben!« bettelte er und trat einen
Schritt näher aufNorma zu.
Norma sah sich um. Sie befand sich in keiner beneidenswerten Lage.
Sie besaß eine Waffe, aber die lag in einer Lade des
Schränkchens neben der Liege, und Terhaan stand ihr wesentlich
näher als sie selbst. Blieb nur noch der Rückzug in die
Hygienezelle. Deren Tür hatte sich inzwischen selbsttätig
geschlossen. Hoffentlich ging sie schnell genug auf!
»Terhaan, ich warne Sie!« unternahm sie einen letzten
Versuch, den Mann zur Vernunft zu bringen. »Wenn Bekker
erfährt, was hier geschieht, dann ...«
»Ah, Sie haben’s mit Bekker!« grinste Terhaan
und kam noch einen Schritt näher. »Was der kann,..«
»Zurück, Terhaan!« schrie Norma.
Vorsichtig streckte sie die Hand aus, um den öffnerservo der
Tür zu erreichen. Aber dann geschah etwas Seltsames, das sie
mitten in der Bewegung stocken ließ. Zuerst meinte sie, ihr
Blickfeld sei vorübergehend getrübt gewesen; aber dann
entdeckte sie den feinen Nebel, der sich in der Nähe der
gegenüberliegenden Tür ausgebreitet hatte. In panischem
Entsetzen erinnerte sie sich der Gedanken, die sie vor wenigen
Minuten gehabt hatte. Sie waren Wirklichkeit geworden. Eines der
Quantenbündel war in die Unterkunft eingedrungen!
»Terhaan ... hinter Ihnen!« würgte sie mit
letzter Kraft hervor.
Aber Terhaan lachte nur und setze seinenVormarsch fort.
»Damit kriegen Sie mich nicht! Hinter mir ist nichts. Das
ist ein uralter Trick!«
Der Nebel begann sich zu bewegen. Er formte sich zu einem
annähernd kugelförmigen Gebilde und glitt hinter Terhaan
her. Norma schrie auf und schloss vor Entsetzen die Augen. Sie hörte
Terhaan ein seltsames Geräusch ausstoßen, halb Bellen,
halb Grunzen. Vorsichtig blinzelte sie zwischen fast geschlossenen
Lidern hervor. Terhaan stand keine drei Schritte vor ihr und
schwankte und schlug mit den Armen um sich, als hätte er das
Gleichgewicht verloren. Der Kampf mit dem Unsichtbaren dauerte jedoch
nicht lange, dann stand Terhaan
wieder sicher auf den Füßen.
Aber was war aus seinem Gesicht geworden? Die Augen,
blutunterlaufen, drohten aus den Höhlen zu quellen. Der Mund war
in unsagbarer Agonie verzerrt. Terhaans Physiognomie war zu einer
Fratze aus Angst und Schmerz geworden. Dem geöffneten Mund
entrang sich ein tiefes Stöhnen. Terhaan wandte sich ab und
schritt hinaus - mit steifem, schwerem Schritt, als würden seine
Beine von einer Maschine gesteuert. Norma sah seine breitschultrige
Gestalt durch die Türöffnung verschwinden. Noch hielt das
Entsetzen sie derart gepackt, dass sie keine Erleichterung zu
empfinden vermochte. Aber dann hörte sie die äußere
Tür gehen, und ein Teil der fürchterlichen Spannung
lockerte sich.
Sie warf einen leichten Mantel über und eilte zum Fenster.
Noch bevor sie auf die Straße hinausblicken konnte, hörte
sie ein hässliches, nur allzu vertrautes Geräusch: ein
helles, fauchendes Zischen. Von weitem gellte ein Schrei. Norma
blickte durch die getönten Scheiben hinaus.
Auf der Straße lag Tibor Terhaan. Aus gläsern
starren Augen blickte er zum Himmel hinauf. In der rechten Hand
hielt er den Nadelstrahler, mit der er sich selbst den Tod gegeben
hatte.
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