PR TB 156 Der Löwe Von Akkad
fühlten sich die Bewohner dieses
Landes ebenso sicher und ungestört wie bisher.
Ich überprüfte ein letztesmal meinen Bogen, den Sitz der
Handschuhe und des Armschutzes, den gefüllten Köcher und
die drei Pfeile, die vor dem Sattelhom steckten. Der vierte und
fünfte befanden sich in meiner linken Hand, die den Bogen hielt.
Die Sehne war straff gespannt; als ich sie mit den Zähnen anriß,
gab sie einen summenden, fast klirrenden Ton von sich.
„Wage es, Attalan-shar!" sagte ich zu mir selbst. Über
mir regte sich ein Vogel im Geäst einer mächtigen,
duftenden Zeder. „Du hast schon andere Aventüren heil
überstanden. Am Ende des Rennens erwartet dich Encheduana - und
der Ruhm des Reiches Akkad."
Meine Absätze bohrten sich in die Flanken des Hengstes, der
eben noch wie eine Statue gestanden hatte. Jetzt sprang er los. Es
war ein gutes, verläßliches und kräftiges Tier, mit
dem Mut einer Löwin. Mit dreißig Sprüngen, noch immer
auf dem Waldboden fast lautlos, gewann er Geschwindigkeit. Ich stand
in den Bügeln und federte schwer in den Knien, weit über
den Hals gebeugt und das Gewicht auf die Vorderbeine verlagernd. Wir
preschten geradeaus durch den Zedemwald, dann über einen
Wiesenstreifen, schließlich hinaus auf die Straße. Ich
kannte hier fast jeden größeren Stein und hielt das Tier
mit nur geringen Zügelhilfen neben der Piste auf weichem
Untergrund. Der Hengst atmete gleichmäßig und wurde
schneller, als er im wachsenden Licht eine gerade Strecke vor seinen
Nüstern erkannte. Wir ritten in halsbrecherischem Tempo. Aber
ich bewegte meinen Kopf, spähte nach hinten, in beide Richtungen
und nach oben. Denn jetzt näherten sich der Karawanenstraße
die gefürchteten Felswände, die voller Höhlen und
Kletterpfade waren. Gab es so früh hier Wachen oder
Ausguckposten? Schließlich, einige Dutzend Herzschläge
später, gab es nur
noch die Felswände und die Straße.
Und nun, in der Stille des heraufdämmemden Morgens, erklang
der Hufschlag. Er mußte wie ein Signal wirken. Ich fühlte
die ersten Schmerzen in den Kniegelenken, aber ich hielt es noch eine
Weile aus. Der gelbe Schaum, der vom Gebiß des Hengstes nach
hinten gerissen wurde, flog mir ins Gesicht und an den Hals.
Das rhythmische Keuchen des Tieres und der rasende Wirbel der
Hufschläge riefen hallende und knatternde Echos zwischen den
Felswänden hervor. Ich erwartete jede Sekunde den ersten Schrei,
den ersten Stein aus einer ledernen Schleuder.
Der Boden der Schlucht begann sich zu krümmen wie eine kranke
Schlange.
Die Sonne! Sie zeigt dir die Feinde! zischte warnend der
Extrasinn.
Ich war einer der besten Bogenschützen, die ich kannte; nur
wenige Männer dieses Planeten waren besser gewesen als ich. Es
ist mehr als schwierig, ein bewegliches Ziel zu treffen - ab einer
gewissen Entfernung, die diesseits von hundert Schritt liegt, selbst
mit dem besten Bogen und den ausgewogensten Langpfeilen mit
Drall-Befiederung. Und es grenzt an Magie, ein Ziel schräg
oberhalb des Schützen zu treffen, wenn sich der Schütze im
Sattel eines rasend galoppierenden Pferdes befindet. Ich war in
dieser Lage, zog einen der eigenen Pfeile aus der linken Hand und
schlang den Zügel ums Sattelhom. Der Hengst raste weiter. Ich
ließ den Bogen auf der linken Seite des Pferdes und legte den
Pfeil auf die Sehne. Dann zog ich den Bogen bis hinters Ohr aus und
kippte ihn in langsamer Bewegung aufwärts, bis der Pfeil auf den
einzelnen Mann deutete, der zu mir herunterstarrte und noch zögerte,
in ein Ochsenhom zu stoßen. Ich sehe die Farbe noch heute vor
mir - blaugrau am dicksten Teil, fast schneeweiß an der Spitze.
Ein dünner Lederriemen um das Signalhorn. Traf ich nicht, würde
er seine wilden Freunde alarmieren. Der Hengst galoppierte weiter,
die Entfernung verringerte sich, aber der Winkel aufwärts
veränderte sich ebenfalls. Zwischen meinem Bewußtsein und
dem Ziel spannte sich eine gedachte Gerade von großer
Perfektion - das Merkmal eines jeden erstklassigen Bogenschusses.
Nicht ich schoß. Etwas schoß aus mir. Ich löste
Zeigefinger, Mittelfinger und Ringfinger der rechten Hand. Die Sehne
schlug mit der Wucht eines Gesteinshammers gegen meinen linken
Unterarm. Der Pfeil verschwand, ich hörte das langgezogene
Heulen des Projektils.
Ich griff nach dem zweiten Pfeil und erinnerte mich des Strahlers,
der im Schaft des Kampfbeils integriert war. Im gleichen Augenblick
kam ich gerade unterhalb des Wächters vorbei. Ich beugte mich
tief über den
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