PR TB 156 Der Löwe Von Akkad
einigen ruhigen Jahrzehnten!"
Die Stimme von ES schwieg. Sie würde niemals mehr zu ihm
sprechen. Die nächsten Worte waren in der Sprache des Krieges,
des Tötens abgefaßt. Sharrukin war wie versteinert. Er
wußte jetzt mit unumstößlicher Gewißheit, daß
er nur noch so lange zu existieren hatte, wie es dem versteckten
Verfolger beliebte. Verfolger... oder Henker?
*
Ich begann zu merken, wie der Hengst unmerklich langsamer wurde.
Noch immer hing ich über seinem Hals und federte die Galoppstöße
mit den Knien ab. Durch die schwerer und lauter werdenden Atemstöße
des Pferdes hörte ich ein hohles, leises Sausen. Es mußte
mein eigener Herzschlag in meinen Ohren sein. Voller Spannung
beobachtete ich die Ränder der Felsschlucht, aber niemand zeigte
sich. Noch nicht...
Es ist ein aufkommender Sturm, schrie der Extrasinn. Noch immer
klapperten hallend und Echos bildend die Hufschläge. Ich hob den
Kopf und spähte nach vom. Dann gab ich Zügelhilfen und
machte das Tier eine Spur langsamer. Etwa die Hälfte der
Schlucht lag jetzt hinter mir, oder ein bißchen mehr. Der
summende, auf und abschwellende Laut wurde deutlicher und schärfer.
Der Wind fing sich zwischen den Felsen und warf uns einzelne
Sandkörner entgegen. Das Heulen veränderte sich in diesem
Einschnitt, wurde stärker, glitt die Tonleiter auf und hinunter.
Ich erkannte plötzlich jenseits einer scharfen Linkskurve hoch
über mir zwei Wächter, einer näher heran, der andere
auf einer großen Felskanzel weiter entfernt. Sie standen da,
aber der Sturm zerrte an ihnen und riß an ihrer Kleidung. Ein
einigermaßen sicherer Bogenschuß war unmöglich.
Ich zügelte das Tier, parierte es durch, und der Hengst ging
tief auf der Hinterhand nieder. Er schüttelte wild den Kopf, die
Mähne peitschte mein Gesicht. Ich warf in zwei schnellen
Bewegungen den Bogen quer über die Schultern und rammte die
Pfeile zurück in den Köcher, dann riß ich das Beil
hervor, warf es leicht in die Luft und fing es am Handgriff wieder
auf.
Sie sahen mich! Einer von ihnen stieß in ein gekrümmtes
Horn, aber der Sturm verschluckte den Ton fast völlig. Die
Lungen des Hengstes arbeiteten wie die Blasebälge der Bleigießer
und der Bronzeschmiede in Akkade. Ich konnte ihm keine Ruhe gönnen
- wieder stürmten wir los. Diesmal saß ich tief im Sattel,
führte die Zügel mit dem erhobenen linken Arm und hatte die
lange Doppelaxt aufgelegt. Der Hufschlag wurde schneller, wir
näherten uns in einer Wolke aus Sandschleiem und ersten,
schweren Regentropfen dem Standort des ersten Wächters. Ich
versuchte, so genau wie möglich zu zielen, dann drückte ich
den Auslöser. Ein blendender Feuerstrahl zuckte steil aufwärts
und sprengte Felsen und Krüppelgewächse in einer Glutwolke
auseinander. Der zweite Schuß krachte röhrend auf und
hüllte den Oberteil der Felskanzel in Feuer und explodierende
Flammen ein.
Die Trümmer regnete genau dort herunter, wo wir galoppierten.
Aber nur kleinere Steine schlugen auf Hals und Kruppe des Tieres und
auf meine vorgekrümmten Schultern.
Ich schoß fast senkrecht nach oben, als wir den Punkt
erreicht hatten, über dem der andere Wächter thronte.
Wieder barsten die Felsen, krochen Blitze von der Einschlagstelle
nach allen Richtungen davon. Glühendes Gestein spritzte nach
unten, dann spaltete sich die Kanzel und sackte der Felswand entlang
nach unten, zusammen mit dem schreienden Wächter.
Wir waren längst an der gefährlichen Stelle
vorbeigaloppiert, trotzdem überholten uns rollende Felsbrocken
und schlugen gegen die Wände.
Die Heftigkeit des Sturmes packte uns eine halbe Stunde später,
als sich die Felswände, niedriger werdend, nach beiden Seiten
zurückzogen. Aus den einzelnen Tropfen war ein fast waagrecht
durch die Luft peitschender Regen aus dem Westen geworden; das
Wasser, das aus meinem Haar rann, schmeckte salzig, und Sandkörner
knirschten zwischen den Zähnen.
Wir waren in Sicherheit.
Niemand konnte mich einzelnen Reiter erkennen, aber auch wir sahen
nichts und niemanden; nicht einmal die feine Witterung des halbwilden
Pferdes vermochte eine Bedrohung aufzuspüren. Ich schnallte
meinen nassen Mantel vom Sattel und schlang das klamme Gewebe um
meine Schultern. Wind und Regen zerrten daran, aber es hielt ein
wenig wärmer. Der Hengst war inzwischen in einen ruhigen Trab
gefallen. Das Tier lief ohne Zügelhilfen entlang der Straße
und suchte sich seinen Weg. Erst nach zwei Tagen würden wir auf
den ersten Posten stoßen - ich
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