PR TB 156 Der Löwe Von Akkad
Soldaten
ließen ihren Gefangenen einfach fallen. Die beiden Männer
starrten sich an. Der Fürst war halb irre vor Schmerz, aber er
preßte die Lippen aufeinander. Das lautlose Duell der beiden
Augenpaare dauerte hundert Herzschläge oder länger, dann
sagte Sharrukin leise:
„Stirb, du Hund."
Ein Soldat hinter ihm hob die zweischneidige Axt hoch mit beiden
Armen, ließ sie mit äußerster Kraft heruntersausen
und spaltete dem Stadtfürsten den Schädel mit einem
einzigen Schlag. Die Strafexpedition war beendet. Alle Gefangenen
hatten es deutlich sehen können.
Nach einer Weile sagte Rhai-ghur leise und abschätzig:
„Ich finde kein Vergnügen an solcherlei Kampf. Ich
meine, es macht mehr Vergnügen, an einer Stadt zu bauen und den
schönen, heißen Sommer zu genießen, der jetzt
hoffentlich folgt."
Es war ein Jahr des milden Regens gewesen. Kein Hochwasser hatte
das Reich verwüstet. Der Sommer versprach, reiche Ernte zu
bringen. Ich stützte mich schwer auf den Sattel des Pferdes und
antwortete:
„Aus genau diesem Grund werden wir jetzt etwas essen und die
nunmehr sichere Karawanenstraße bis nach Mari reiten. Dort
wartet ein Schiff, das uns in die Nähe Akkades bringt. Übrigens:
gefällt dir eine der Sklavinnen?"
„Beute? Vorschlag des dank Ishtars Hilfe wiederum
siegreichen Herrschers?"
„Ja. Männer, Frauen, Mädchen, Gold oder Wein - was
wir wollen."
Er überlegte lange. Es gab sehr viele hübsche Mädchen
hier - wie an jedem Platz der Welt, der eine bestimmte Größe
überschritt. Dann entschied er sich und erklärte:
„Wie auch immer: es gibt nur Ärger und mehr Aufwand.
Kennt man eine akkadische Sklavin, dann hat man alle kennengelemt."
„Daran ist etwas Wahres", mußte ich zugeben. Ich
dachte an Encheduana, die auf mich wartete. Mir fehlte jedes
Bedürfnis, außer ihr ein anderes Mädchen näher
kennenzulemen. Und dann, wie auf ein unhörbares Stichwort,
dachte ich an Kar-shattar. Das Gefühl, das diesen Gedanken
begleitete, war von einer schwarzen Ahnung kommenden Unheils. Warum?
Ich wußte es nicht.
Zweiundzwanzig Tage später waren wir wieder im Sommerpalast
der wachsenden Stadt. Encheduana erwartete mich, und ein Strom von
Arbeitern und Material ergoß sich in die Stadt.
8.
Das Land kannte eigentlich nur drei Jahreszeiten: ein Frühjahr,
in dem die Nässe und Feuchtigkeit zurückgehen, ein langer
und trockener Sommer, der in einen Herbst übergeht, der voller
Wind, Regen und gemäßigter Kälte ist. Und in diesem
Jahr, das ohne einen einzi
gen schweren Zwischenfall war, bauten wir die Stadt so gut wie
fertig. Etwa fünfzehntausend Menschen lebten fest darin, sie war
durch einen Kanal mit dem Buranun verbunden, zwei Handelswege
kreuzten sich direkt vor dem Viertel der Karawansereien, Händler
und Magazine, einige Pfeilschüsse von der Brücke entfernt.
Großzügig angelegt, voller Grün und umgeben von einem
breiten Kreisring aus Landwirtschaft und Weiden und Äckern,
ausgestattet mit Kornspeichern und Werkstätten für jeden
denkbaren Zweck, war Akkade tatsächlich auf dem Weg zur
Hauptstadt. Es fehlten nur noch die königlichen Beamten und der
Hofstaat Sharrukins.
Eines Tages rollten viele Wagen entlang der Hauptstraße. Sie
brachten die Neuen Archive aus der bisher wichtigsten Stadt - Kish.
Bald würde Sharrukin folgen.
Deine Meinung, daß du dann überflüssig bist,
erklärte der Logiksektor ungefragt, hat einiges für sich.
Ich wußte nicht, was ich noch tun sollte. Während der
zurückliegenden Jahre hatte sich der König maßvoll
verhalten. Er schien tatsächlich genau das zu tun, was ES
verlangte: er sicherte die Grenzen, vergrößerte das Reich
nicht mehr und schuf für Hunderttausende und aber
Hunderttausende ein nicht unangenehmes Leben.
Wir konnten jetzt daran gehen, alle die kleinen Probleme zu
erledigen, die mit Akkade zusammenhingen.
Neue Techniken der Metallbearbeitung. Versuche, die Schrift zu
vereinfachen. Die Ausschmückung des Tempels, viele
Verbesserungen des Werkzeugs, der Versuch, Glas zu blasen, das
durchsichtig war und nicht so schwer. Von der Herde jener
unvergleichlichen Pferde besaßen wir nur noch drei Stück:
ein Wahnsinniger hatte zwei Fohlen die Kehlen durchgeschnitten, die
Löwen hatten einige Stuten gerissen, und der Gedanke daran, hier
Pferde züchten zu wollen, war sinnlos. Nur unsere drei Hengste
lebten noch und waren gesund.
Encheduana ... sie war, neben Rhai-ghur, der ruhige Punkt, um den
meine Gedanken kreisten. Ihretwegen war ich gern
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