PR TB 157 Der Mann Aus Dem Nichts
Seine Überzeugung, daß
er Herr eines jeden Bewußtseins sei, war reine Überheblichkeit.
Unüberlegtheit, die sein ganzes Vorhaben hätte zum
Scheitern bringen können.
Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er zitterte. Aber er hatte
das Bewußtsein des Laren fest im Griff. Er spürte das
Pochen fremder Gedanken, die aus ihrem Gefängnis ausbrechen
wollten. Er fragte sich, ob Senghor-Laa, wenn er ihn wieder entließ,
sich an den Kampf um sein Bewußtsein erinnern würde. Wenn
ja, war Sanssouq in Gefahr.
Die Welt, durch die Augen des Laren gesehen, erschien fremd und
unwirklich. Das Farbempfrnden Senghor-Laas war ein ganz anderes, als
Sanssouq es gewöhnt war. Er mußte sich davor hüten,
dadurch in Verwirrung zu geraten.
„Was tut Maylpancer um diese Zeit?" fragte Sanssouq.
„Er schläft", antwortete der Lare mit monotoner
Stimme.
„Du hast jederzeit Zutritt zu ihm?"
„Ja."
„Wir gehen ihn besuchen!"
Wortlos wandte Senghor-Laa sich in Richtung der Tür. Sanssouq
folgte ihm. Die Tür öffnete sich. Die beiden Männer
schritten hinaus. Dieser Teil der Burg des Überschweren wirkte
leer und verlassen. Sanssouq fragte sich, ob es drüben, am
Goldsonnenhof, auch so sein würde.
Der Weg führte durch Gänge und Antigravschächte
gewiß über einen Kilometer weit. Der Zugang zur Residenz
des Ersten Hetran war verschlungen und verwirrend. Sanssouq gab sich
keine Mühe, die rasche Folge von Abzweigungen und
Richtungsänderungen im Gedächtnis zu behalten. Der Pfad,
den er ging, war eine Einbahnstraße. An seinem Ende wartete
entweder der Erfolg oder der Tod.
Als erstaunlich empfand er, obwohl die Gäa-Abwehr ihn darauf
vorbereitet hatte, die Abwesenheit von Robotern. Maylpancer, hieß
es, habe aufgrund eines Unfalls, den er vor etwa anderthalb Jahren
erlitten und bei dem ein Roboter eine entscheidende Rolle gespielt
hatte, eine fast psychopathische Abneigung gegen Maschinenwesen
entwickelt und diese aus seinem Lebensbereich verbannt. Das einzige,
was er noch duldete, waren die Robotpferde, auf deren Rücken
Maylpancer und seine Kumpane ihre mittelalterlichen Tumierspiele
austrugen.
Als Senghor-Laa sich Maylpancers Quartier näherte, verloren
die Gänge und Rampen des Gebäudes an Stille und
Leblosigkeit. Männer und Frauen waren zu sehen, die sich hierhin
und dorthin bewegten oder in Gangnischen beisammensaßen und
sich in der kehligen, grollenden Sprache ihrer Heimat unterhielten.
Senghor-Laa und sein Begleiter wurden angestarrt, aber nicht
behelligt. Manch verächtlicher oder auch zorniger Blick traf den
Terraner. Aber die Autorität des Laren war groß genug, um
die Obskoner ihre Gefühle für sich behalten zu lassen.
Senghor-Laa und Sanssouq gerieten schließlich in einen
großen, viereckigen Raum, in dem sich fast zwei Dutzend
Überschwere aufhielten. Sie standen oder saßen in Gruppen,
tranken und spielten Maix, ihr eigenartiges Würfelspiel, das so
kompliziert war, daß kaum ein Außenseiter die Regeln
begreifen konnte. Sanssouq wußte, ohne daß es ihm jemand
gesagt hätte, daß er sich in unmittelbarer Nähe des
Quartiers des Ersten Hetran befand. Dieses war das Vorzimmer, und die
knapp zwei Dutzend Obskoner bildeten Maylpancers Garde, die über
seine Sicherheit wachte.
Senghor-Laa steuerte geradewegs auf das breite Portal im
Hintergrund des Raumes zu. Das lärmende Gespräch der
Überschweren war verstummt, als der Lare in Sanssouqs Begleitung
den Raum betrat. Man musterte die nächtlichen Besucher mit
Verwunderung. Alle Obskoner, bemerkte Sanssouq, trugen mit
Antigravgeneratoren ausgestattete Monturen, die es ihnen
ermöglichten, sich in der Sphäre einer Schwerkraft von über
drei Gravos zu bewegen, wie sie sie von ihrer Heimat gewöhnt
waren. Für Sanssouq bedeutete dies einen unschätzbaren
Vorteil. Denn die andere Möglichkeit wäre gewesen, daß
die Überschweren den gesamten Trakt der Burg unter ein
künstliches Schwerefeld setzten, und dann hätte sich der
Terraner nur noch am Boden kriechend bewegen können.
Als Senghor-Laa sich dem Portal bis auf zehn Schritte genähert
hatte, erhob sich ein Obskoner und trat ihm in den Weg. Es war ein
älterer Mann, wie die ins Gelbliche hinüberspielende
Hautfarbe bewies. Er trug den üblichen Schurz, der zur
obskonischen Standardausrüstung gehörte, und um den Leib
einen breiten Gürtel, der außer der Batterie der
Antigravgeneratoren einen kurzläufigen, unförmig wirkenden
Blaster enthielt.
„Bei aller gebührenden Ehrfurcht", sagte der
Obskoner
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