PR TB 159 Insel Der Ungeheuer
befriedigt, müde
und gleichzeitig sprühend voller Ideen und Arbeiten. Dies konnte
nur einen Grund und eine Ursache haben. Derione.
»Was hast du vor?« fragte sie und küßte
mich. In den kleinen Gärten des Palasts zirpten die Grillen wie
besessen. Es würde einen warmen Winter geben.
»Ich möchte gern, daß alle Menschen dieser Insel
so zufrieden sind wie du und ich. Aber ich werde es nicht erreichen«,
flüsterte ich.
»Wer bestimmt, wann du Kefti verläßt?«
Zunächst zögerte ich. Dann streckten wir uns in der
warmen, windlosen Herbstnacht auf den Fellen aus, und ich erzählte
ihr, vorsichtig formuliert, woher ich kam, wer ich war, und warum
Ranthys und ich auf dieser Insel gelandet waren. Sie hörte
schweigend zu, schmiegte sich in meine Arme und schien alles zu
begreifen. Als ich zu sprechen aufhörte, fragte sie leise:
»Warum peinigt dich dieses mächtige Wesen so sehr? Und
gibt es eine Möglichkeit, daß wir uns wiedersehen, nachdem
deine Zeit um ist?«
Ich beugte mich über Derione und küßte sie. Nach
einer kleinen Ewigkeit sagte ich leise:
»Ich glaube nicht, daß es eine solche Möglichkeit
gibt. Und ich bin und bleibe der Wächter über diese
Weltinsel, weil andere, viel mächtigere Kräfte es mir
befehlen. Ich kann nur gehorchen.«
»Ich glaube dir, aber ich verstehe es nicht.«
»Du wirst nach und nach alles verstehen«, flüsterte
ich, zog sie an mich und spürte, wie die Leidenschaft von
unseren Körpern Besitz ergriff. Ich hoffte, daß mir ES
genügend Zeit ließ, diesen Traum richtig genießen zu
können.
Die Jägerinnen sahen und erlebten, was in Knossos geschah.
Sie ritten von einem Ende der Insel zum anderen und überbrachten
allen Hirten und Jägern, allen Dörfern und Großfamilien
unsere Botschaft. Jede Gruppe sollte einen klugen Mann aus ihrer
Gruppe wählen und ihn nach Knossos schicken. Diese vielen
Vertreter sollten ihrerseits Sprecher wählen, die über das
Schicksal der Insel abstimmen sollten. Ich brauchte die klügsten
Menschen, die hier zu finden waren.
Ich wollte ihnen die Schrift beibringen - im Verlauf des Winters
war genügend Zeit dazu.
Je mehr ich mit einzelnen Personen sprach, desto deutlicher merkte
ich, daß jede Art von Aussaat hier auf Kefti aufging.
Die Menschen, hatten sie sich erst einmal entschlossen, mit uns
mitzuarbeiten, entpuppten sich als merkwürdiger, aber
durchaus positiver Barbarenstamm.
Sie waren stolz, aber herzlich. Sie waren die geborenen Händler
und Kaufleute. Und sie erfaßten sehr bald, daß die
auserwählt waren, die Herrscher des Binnenmeeres zu sein. Einmal
sagte Ranthys zu mir: »Alle Bewohner von Kefti lügen!«
Aber sie logen nicht wirklich. Sie bogen und drehten die Wahrheit so
lange und so geschickt, bis sie die Dimensionen erreichte, die den
Inselbewohnern angenehm waren. Der Einfall, die jeweils Klügsten
einer bestimmten Gruppe zusammenkommen und sie über die Vorhaben
sprechen zu lassen, enthüllte erst diesen erstaunlichen und für
unseren Zweck richtigen Charakterzug. Stolz und unbeugsam, geschickte
Handwerker, pragmatisch im Gebrauch von Waffen und den sogenannten
Waffen des Geistes, überzeugt von der Richtigkeit gemeinsam
ausdiskutierter Entschlüsse. das waren die meisten der
Inselbewohner.
Aber sie waren abergläubisch wie alte Weiber.
In jedem Grashalm und jeder Welle, in jeder Wolke und in Höhlen,
Schluchten, unter dem Boden und auf Berggipfeln wohnten Götter.
Ich war überzeugt, daß sie nicht nur nach Belieben Götter
erfanden - nein! Sie statteten diese Götter darüber hinaus
auch mit Eigenschaften aus, die alles andere als »göttlich«
waren. Die Götter benahmen sich allzu menschlich. Sie waren
eifersüchtig, machtbesessen und hauptsächlich lüstern
und gierig.
Solche Götter würden unsere Absichten keineswegs zum
Scheitern bringen.
Sie waren viel zu menschlich, um echte Furcht zu erwecken.
Die Hafenstädte wuchsen am schnellsten in der Zeit zwischen
neuer Aussaat und dem Frühlingsbeginn.
Es bildeten sich spezialisierte Gruppen heraus. Die Herden
wuchsen, die Felder wurden größer. Gespanne aus Pferden
und Ochsen rissen den Boden auf. Die nächste Ernte würde
noch viel besser ausfallen, was uns die Möglichkeit gab, die
Handwerker besser auszubilden, denn sie mußten keinerlei Sorgen
haben, was ihre Ernährung betraf.
Wir bildeten eine Klasse von hundertvierundvierzig jungen Männern
in der Kunst des Schreibens aus.
Es war ein mühsames Geschäft. Sie lernten und schrieben.
Sie legten
Weitere Kostenlose Bücher