PR TB 162 Karawane Der Wunder
eintönig.
»Es sieht so aus, als ob sie kämpfen würden«,
versicherte Tantri und lachte breit.
Die drei Anführer ritten weiter. Mehr Einzelheiten wurden
sichtbar. Dann entdeckten sie am Fuß des Hügels eine
Rinderherde, die von flüchtenden Hirten hinter den Wall
getrieben wurde. Einzelne Gruppen von Feldarbeitern verhielten sich
nicht anders. Langsam drehte sich Rantiss um. Die vielen hundert
Tiere hinter ihm erzeugten eine fahle Staubwolke, die in der
sinkenden Sonne gut zu sehen war. Alles sah nach Kampf aus; die
Bewohner des Kastells schienen jedem, der aus der Steppe kam, zu
mißtrauen.
Schließlich entschloß er sich und sagte zu seinen
beiden Unterführern:
»Ich reite voraus und versuche, sie zu überzeugen. Ihr
folgt langsam und sehr wachsam mit den Kriegern, ja?«
»Denke daran, daß es bald dunkel wird!« wies
Tantri in die Richtung des fallenden Sonnenballs.
Rantiss sah hinüber zum Hügel, der zehn Bogenschüsse
weit war.
»Entweder sind wir morgen Gäste im Kastell, oder wir
sind die Herren des Kastells. So oder so werden wir gewinnen«,
meinte er, setzte die Sporen ein und galoppierte davon. Der lange
Wimpel an seiner Stoßlanze zuckte hin und her wie der Kopf
einer angreifenden Schlange.
Rantiss drückte den Helm fest auf den Schädel und schloß
das Kinnband. Er rückte den Köcher zurecht und lockerte die
kleinen Wurfspeere in der Lederhülle. Dann schwang seine
Schulter nach vorn; der linke Unterarm glitt wie von selbst in die
Griffe des Rundschilds. Der ausgetretene und aus tiefen Räderspuren
bestehende Weg folgte den Feldrändern und den Bewegungen des
Geländes. Der Hügel zeigte sich als natürlich; sein
Fuß ging in die Weiden rund um die Siedlung über und war
von Bäumen und Büschen befreit worden. Diese Beobachtung
machte Rantiss nachdenklich, aber die Mauern, die sich
spiralig um den Hügel zogen, stimmten bedenklich. Sie
bestanden aus Stein und bildeten eine Art hohe Stufe; das Erdreich
über ihnen war waagrecht aufgeschüttet. Nur die schräg
eingeschnittene Straße, die zu zwei halb gemauerten Türmen
hinaufführte, durchbrach diese Anordnung. Der Hügel war
nicht hoch, aber auf seine Kuppe fanden mehr als hundertfünfzig
ordentlich aussehende Häuser Platz. Rantiss entdeckte Pferdekot,
einen verlassenen Wagen voller Stallabfälle, die man wohl auf
die Felder brachte. Er mußte daraus schließen, daß
die Bewohner des Kastells keine Halbwilden mehr waren. Nach einer
Weile kam er an den Fuß des Hügels, wo die steinige Straße
einen Knick machte und aufwärts führte. Abseits der
scharfen Linksschwenkung machte er eine verblüffende Entdeckung.
Auf der Weide, deren Gras von Schafen und Ziegen kurzgefressen
worden war, erhob sich ein auffallender Erdbuckel, ebenfalls mit Gras
bewachsen. Rund um diese Erhöhung, die von einem Steinbock
gekrönt wurde, waren zahlreiche Holzpfähle in den Boden
gerammt, und eine Menge von Astgabeln stützte querliegende
Balken. Auf dem langen Balken waren die verrotteten, pergamentierten
Kadaver von Pferden aufgespießt; die Bohle war vom After bis zu
den aufgebrochenen Kiefern durch das Pferd getrieben worden. Rantiss
trieb den scheuenden Hengst einmal rund um diese erschütternde
Opferstelle.
Reste von kostbarem Zaumzeug. Keine Sättel, keine
Steigbügelreste, aber Golddraht in den verfilzten und
zerfallenden Mähnen der Tiere. Die Kadaver wiesen Spuren von
Nagetieren und aasfressenden Vögeln auf.
Mitten durch die Rücken der Pferde, deren Schädel zum
Hügel hin wiesen, war je ein weiterer Holzpfahl in den Boden
geschlagen worden. Er ging vom Kopf bis zum Ende der Wirbelsäule
eines Mannes, der auf diese Weise aufrecht auf dem Pferd mumifiziert
worden war. Auch seine Haut und Kleidung zeigten die Spuren des
Alters, des Zerfalls und der Aasfresser. Das Gesicht, zerhackt und
verwüstet, zeigte keinen erkennbaren Ausdruck. Zwölf
Pferde, zwölf anscheinend junge Männer, oder waren es mehr?
Rantiss vergaß das Zählen und ritt kopfschüttelnd
wieder zurück auf die Straße. Dieses Bild war offenbar ein
Bestandteil des Brauchtums dieser Steppenbewohner.
Und wenn die Männer ebenso wie die Pferde als Grabbeigaben
eines Fürsten lebend geopfert worden waren?
Er schüttelte sich schaudernd und setzte die Sporen ein. In
einem kurzen, wirbelnden Galopp stob er zwei Drittel der schrägen
Zufahrt hinauf. Schon jetzt sah er, daß sich Hunderte Bewohner
der Siedlung in Gruppen zusammenstehend auf den Wällen befanden
und abwechselnd auf ihn
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