PR TB 162 Karawane Der Wunder
herunterstarrten, dann wieder die Reiter
anblickten, die langsam näherkamen.
»Beim Papios!« schrie ein bärtiger Mann vom Turm
herunter. »Wer bist du? Was wollt ihr?«
Rantiss legte den Kopf in den Nacken und starrte nach oben. Einige
Männer trugen Waffen, die den Eindruck machten, sie wären
mit Sorgfalt gefertigt und würden mit Können gehandhabt
werden.
»Wir sind zweihundert Reiter mit Ersatzpferden«, rief
er ehrlich zurück, aber als er das offene Mißtrauen in den
grobflächigen Gesichtern sah, war er schon jetzt von der
Sinnlosigkeit seiner Worte überzeugt. »Wir wollen uns
einen Tag lang ausruhen, Mehl und Bier von euch tauschen, Futter für
die Tiere und so fort.«
»Wir sind arm. Aber wir lassen uns nicht von euch
überfallen. Wir können uns wehren, Fremder!« schrie
der Mann. Er schien zugleich stolz, unsicher und wütend zu sein,
eine gefährliche Mischung.
»Hör zu, Bauer!« schrie Rantiss hinauf. »Wir
wollen weder euer Land noch eure Frauen. Wir stehlen nicht, wir
wollen tauschen.«
»Geht weg! Laßt uns in Ruhe! Wir wollen keine Fremden,
besonders nicht, wenn sie bewaffnet sind.«
»Wie kann ich dich überzeugen?«
»Du bist auch nur einer von den streunenden Räubern.
Geht weg! Schnell!«
Der Anführer schwieg und sah sich aufmerksam um. Er versuchte
die Stimmung hier abzuschätzen. Möglicherweise konnte er
seinen Zweihundert noch einige Tage Geduld und Hunger abverlangen.
Bisher hatte er die ungerechtfertigten Beleidigungen geschluckt.
Jetzt erklärte er laut:
»Wir sind keine Räuber, und wir werden heute die Nacht
auf euren Feldern rasten. Ihr braucht keine Angst zu haben. Aber ich
warne euch, uns anzugreifen.«
»Geht weg, reitet fort. Ihr seid wie die Hunde bei der
fetten Herde.«
Rantiss lächelte kalt und rief mit mühsam erzwungener
Ruhe:
»Denke daran, daß wir beißen, ehe wir bellen!«
Er riß das Pferd herum und ritt den Weg abwärts. Er
erwartete jeden Augenblick einen Schleuderstein oder einen Pfeil. Die
Frauen und Männer auf dem Wall und in den Türmen schrien
ihm Flüche und Verwünschungen nach. Ein fast tierischer
Instinkt zwang ihn im richtigen Augenblick, sich umzudrehen und den
bisher mit ausgestrecktem Arm gesenkten Schild hochzunehmen.
Gerade als er den Kopf hinter den Schildrand senkte, hämmerte
ein Pfeil an den Rand, erzeugte ein häßlich knirschendes
Geräusch und wirbelte davon. Rantiss fluchte und duckte sich
tief auf den Hals des Pferdes, das einige Herzschläge später
in rasendem Tempo den Hang hinunterstob, in einer Geraden den Weg
verließ und schneller wurde. Noch einige Schleudersteine und
Pfeile flogen ihm nach, aber Rantiss war schon zu weit entfernt.
Tantri und Skath ritten heran, aber sie
brauchten nicht mehr einzugreifen. Zwischen den ersten Reitern und
dem Fuß des Hügels trafen sie sich.
»Was befiehlst du?« fragte Tantri knapp. Er hatte
begriffen, was dies alles zu bedeuten hatte. Es verblüffte ihn,
daß Rantiss wie ein Wolf grinste.
»Wir lagern außerhalb. Ich werde euch sagen, was ich
glaube.«
»Dein Ernst, Rantiss?«
»Mein völliger Ernst. Wir lagern wie immer - zunächst.
Wenn die Feuer brennen, sage ich, was ich erwarte.«
»Unbegreifliche Ideen hast du, Anführer«,
murmelte Skath und ritt, anscheinend tief enttäuscht, zurück
zu den anderen. Binnen kurzem schlugen sie auf einer abgeweideten
Fläche ihr Lager auf. Die Ebene war baumarm, aber die während
des Rittes gesammelten Wurzeln, Zweige und Baumreste versorgten zehn
Feuerstellen.
»Tantri!« schrie Rantiss, ein Stück hartes
Fladenbrot kauend, ein Stück Fleisch mit kaltem Fettrand in der
anderen Hand. Der Unterführer, wie alle in voller Rüstung,
aber unbewaffnet, schob sich näher.
»Kühnster aller Reiter?« erkundigte er sich
sarkastisch und rülpste dröhnend.
»Wir bilden zwei Gruppen. Hundert Männer und Alaca
schlafen, die anderen wachen. Die Pferde werden nicht abgesattelt.
Jeder Mann von uns allen wird mit den Waffen neben sich schlafen oder
sich schlafend stellen. Ich schwöre euch, daß diese
Bastarde versuchen werden, unsere Pferde zu stehlen und uns zu
überfallen. Wir schlagen sie, wenn sie uns zu schlagen
versuchen. Hast du das verstanden, du krummbeiniger Sohn vieler
Väter?«
Tantri fing an zu strahlen. Jetzt hatte er begriffen. Er schlug
Rantiss auf die Schulter, der Anführer verschluckte sich.
»Ich bin nicht der Mann«, sagte er hart, »der
arme Bauern überfällt. Ich will nicht, daß Menschen
leiden und sterben, du Esel. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher