PR TB 162 Karawane Der Wunder
der
Esel hoch, trieb in langen Schleiern unter den breiten Felgen der
Wagen in die Luft und wurde von einem warmen Westwind gleichmäßig
verteilt. Bald sahen wir alle wie wandelnde Statuen aus. Der Staub
verkrustete
unsere Nasen, die Augen begannen zu tränen und zu schmerzen,
wir glaubten, keine Luft mehr zu bekommen. Den Tieren erging es nicht
anders. Jedesmal, wenn das Wasser des austrocknenden Flusses bis an
den Rand unseres Weges ging, stürzten Menschen und Tiere hin, um
sich zu waschen und zu trinken.
An einem Tag gab es zwischen Mittag und Abend ein kurzes, aber
heftiges Gewitter. Der Regen war uns willkommen, aber nachher sah die
Karawane unbeschreiblich aus.
Hin und wieder sahen wir kleine, dürre Gehölze, aus
denen magere, rotbraune Tiere flüchteten. Die Bilder, die der
hochfliegende Boreas funkte, ließen erst in unmittelbarer
Gebirgsnähe grüne Flächen erkennen.
Und wieder änderten sich die Bilder. Das Aussehen der
Landschaft nahm einen absolut niederschmetternden Charakter an.
Die Büsche und Grasflächen waren schwarz und völlig
leblos. Vor Tagen hatte hier ein Rennfeuer gewütet; kein grüner
Halm, kein Insekt, kein einziges Fleckchen Grün war zu erkennen.
Der Staub mischte sich mit grauer und weißer Asche. Der Schweiß
bildete breite Rinnsale in unseren Gesichtern. Das Schreien der
geschundenen Tiere wurde bald leiser als das kraftlose Fluchen der
Menschen. Rantiss' Reiter schwärmten aus, aber auch sie erlegten
kein Wild. Wir begannen, die schwächsten Tiere zu schlachten.
Während der Langen Reise waren eine Menge Kinder gezeugt und
viele schon geboren worden. Ihr Zustand war nach zehn Tagen Marsch
entlang des Rinnsals beklagenswert. Dasselbe galt für die
neugeborenen Tiere; bisher gab es fast jeden Tag irgendwo Nachwuchs.
Die Hirten taten, was sie nur konnten, aber es waren viele Ausfälle
zu beklagen. Die ersten Geier schwebten über der Karawane und
blieben lange unsere einzigen Weggenossen; schwarze Sicheln in einem
gnadenlos hellen Himmel, der sich dann und wann bewölkte und
eiskalte Stürme schickte.
Die Tage waren noch immer stechend heiß, dagegen kühlte
es in den Nächten stark ab. Einerseits wurden die Menschen durch
die Strapazen abgehärtet und griffen in ihrer Not zu allen
erdenklichen Überlebensmöglichkeiten, andererseits begannen
wir, von der Substanz zu zehren.
Das schlimmste war die Verzweiflung, die von Tag zu Tag mehr
Menschen stärker ergriff.
Wir schienen das Ende der Welt erreicht zu haben, den sagenhaften
Streifen, der vor dem Abgrund der Scheibe lag. Noch ein paar Tage,
murmelten die Menschen, und wir würden in den Abgrund der
Verdammnis stürzen.
Der spitze Dolch zeigte auf einen blau eingefärbten Punkt der
Karte
im Innendeckel der Kiste. Dieser Punkt war ein kleiner See und
unser Ziel.
»Das ist er. Noch schätzungsweise zehn Tage!«
sagte ich und stand auf. Asyrta warf mir einen Blick zu.
»Wir reiten voraus. Ich und fünfzig Männer!«
sagte Rantiss ruhig. »Wir nehmen alle >schnellen< Tiere
mit und bereiten alles vor. Ihr seid dann entlastet.«
»Es wäre eine Möglichkeit. Wir sind, wenn wir den
See erreichen, ziemlich am Ende«, murmelte Nianchre leise.
»Das ist zu erwarten«, bestätigte meine Freundin.
Wir alle waren sehnig, abgemagert, total verschmutzt und hungrig.
Noch war die Not nicht ausgebrochen; aber das Stadium, in dem die
kleinste Erschütterung die Katastrophe auslösen konnte,
stand kurz bevor. Es brauchte nur eine Krankheit auszubrechen, und
wir waren verloren. Knapp ein Mond hatte genügt, uns das Risiko
klar erkennen zu lassen.
»Ich schicke noch heute Skath und die besten Reiter los.
Boreas kann sie kontrollieren«, entschied Rantiss.
»Einverstanden.«
Ihr alle mußt sämtliche Möglichkeiten aktivieren,
sagte der Logiksektor.
Nichts anderes blieb uns übrig. Auf Rantiss konnte ich mich
verlassen, er brauchte keinerlei Anweisungen, wie etwas zu machen
sei. Er nickte uns nacheinander zu und stapfte aus dem Zelt. Wir alle
waren verwahrlost. Es machte uns nichts mehr aus, oder jedenfalls
nicht viel, und dies war eines der vielen schlechten Zeichen dieser
Tage. Vor der Jurte, der noch weitere Bewährungsproben
bevorstanden, warteten Skath und einige der Wegesucher, denen
buchstäblich nichts mehr entging. Ich hob den Schild und
schaltete die Bildfunkanlage des Robotvogels ein. Der schwarze Falke
kreiste zwischen Berghängen, Schluchten, Seeufer und sumpfigen
Zonen.
»Tiefer, Boreas. Tiefer herunter und immer
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