PR TB 162 Karawane Der Wunder
wieder
Vergrößerungen!« ordnete ich an. Wir beugten uns
über das Bild im Schildmittelpunkt. Niemand von denen, die mich
bei solchen Arbeiten beobachten konnten, glaubten heute an Wunder
oder die Einwirkung von Göttern. Nacheinander sahen wir die
Bilder, die uns einigermaßen zufriedenstellten.
»Wir müssen rund um die Seeufer unsere Zelte
aufschlagen. Und weitab der Zuflüsse, weil diese beim ersten
warmen Sonnenstrahl überfließen.«
»Das entscheiden wir, wenn wir dort sind. Wieviel Tage,
Atlan?« fragte Nianchre stockend. Er versuchte noch immer,
seine Auffassung von Ordnung durchzusetzen. Im Moment mit wenig
Erfolg.
»Zehn, wenn wir es schaffen, die anderen vorwärtszuhetzen.
Und eine Ewigkeit, wenn etwas dazwischenkommt.«
»Wir alle werden tun, was nur irgend möglich ist!«
Es wird nötig sein. Versuche, die Karawane schneller zu
machen! warf der Extrasinn ein. Ich blickte meine schöne
Ägypterin an. Auch sie ließ die Spuren der harten Tage
erkennen. Sie kümmerte sich, zusammen mit Alaca, um die kleinen
Kinder der Karawane und versuchte, ihnen das Leben so leicht wie
möglich zu machen. Alaca und sie hatten binnen eines halben
Tages Freundschaft miteinander geschlossen. Asyrta lächelte
zaghaft zurück. Sie sagte leise:
»Es ist bisher gutgegangen, es wird auch weiterhin ohne
Katastrophe abgehen.«
»Warten wir's ab«, schloß Nianchre.
Wir warteten sozusagen darauf, daß genau das passierte, was
nicht passieren durfte. Besonders ich war skeptisch, aber meine
Gedanken halfen nichts. Die Herden waren noch in der Nacht
weitergezogen, jetzt folgte wieder die Karawane. Abgesehen davon, daß
wir dem Winterlager entgegenkrochen, brachte uns jeder Tag abermals
näher an unser Ziel heran.
Fluchend und peitschenknallend, mit mahlenden Felgen, schreienden
Eseln, wiehernden Pferden und dumpf brüllenden Ochsen machte
sich die Karawane abermals auf. Sie sah keineswegs wunderbar aus.
Wir erreichten die Gegend um den See, nachdem wir einen Tag lang
über einen ausgetrockneten Salzsee gewandert waren. Er war wie
ein Spiegel gewesen, blendend und furchtbar. Als die erste Gruppe das
jenseitige Ende erreichte, jagte ein Windstoß die ersten
Schneeflocken heran. Ich krümmte meine Schultern und fröstelte
innerlich.
Ich drehte mich im Sattel und winkte meinen Wegesuchern.
»Die einzelnen Gruppen sollen sich selbst Stellen suchen, an
denen sie bleiben wollen. Ich werde nachsehen, ob sie es richtig
machen!«
»Wir verständigen die Sprecher der Gruppen, Herr!«
Im Lauf der letzten Monde hatten sich, wie nicht anders zu
erwarten, Sympathien, Freundschaften und eheähnliche
Gemeinschaften entwickelt. Gruppen aus diesen kleinen Verbänden
sollten sich zusammenfinden und ihr Winterlager einrichten. Die
Männer, die noch abgerissener und mitgenommener aussahen als die
meisten von uns, sprengten in verschiedene Richtungen davon. Die
lange Reise hatte ein vorläufiges Ende gefunden.
6.
Vier Monde lang dauerte der Winter.
Mein Zelt, ein ungefähr halbkugelig geformter Jurtenbau, war
knietief in Sand eingegraben; unter dem Boden befand sich eine
Schicht Stroh,
Gras und trockene Blätter. Bis zur Schulterhöhe war die
Jurte von Schneeverwehungen umgeben. Der schneidend kalte Sturm tobte
über das Land, wühlte den See auf, riß und rüttelte
an den Bäumen, die schwarzen Finger glichen. Es war eisig kalt.
Die Läuse starben, wenn man Kleider und Pelze nachts hinaushing.
Überall dort, wo es Windschatten gab, also in halben Höhlen,
kleinen Schluchten, auf der Ostseite von Felsen, halb eingegraben in
Hügeln, in Hütten aus Lehmziegeln und Reisig, in Lehm
verpackt, überwinterten rund zweitausendsiebenhundert Menschen
fast allen Alters.
Wir hatten Unterstände für das Vieh gebaut und jeden
Grashalm, den wir hatten finden können, eingebracht und
getrocknet.
Die meisten Kleintiere befanden sich in den Unterkünften der
Karawanenteilnehmer und wurden vergleichsweise hervorragend versorgt.
Viele Arbeiten, zu denen kein Feuer benötigt wurde, konnte in
den hundertzwanzig Tagen durchgeführt werden; andere mußten
warten. Als der Winter endete, war unter dem Großvieh eine
natürliche Auslese durchgeführt worden. Alle kranken und
schwächlichen Tiere waren getötet und verwertet worden, die
starken und gesunden blieben uns. Trotzdem entstanden im Viehbestand
gewaltige Lücken. Mehl besaßen wir überhaupt keines
mehr, und viele andere wichtige Nahrungsmittel reichten nur noch
Tage. Das hatte zumindest den Vorteil,
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