PR TB 168 Hinter Dem Zeitschirm
im
Magen.
Rorvics Augen schössen Blitze. Er streckte eine Hand nach mir
aus.
„Ich werde Ihnen zeigen, daß Sie nicht ungestraft mit
etwas spielen können, von dem Sie nichts verstehen! Gehen Sie zu
den Dämonen! Irren Sie durch Vergangenheit oder Zukunft! Gehen
Sie durch das Feuer, das - vielleicht - Ihre schmutzige Seele läutern
wird!“
Ich fühlte mehr als ich erkannte, daß der Tibeter seine
Fähigkeit der zeitlosen Ortsveränderung bei mir anwenden
wollte. Aber bevor ich dagegen protestieren konnte, klappte mein
Druckhelm zu - und im nächsten Augenblick fühlte ich mich
einer Kraft ausgesetzt, die mich durch etwas Unbegreifliches
schleuderte.
Als ich wieder etwas erkannte, sah ich tief unter - oder über
- mir einen Planeten, der von einer blauen Riesensonne beleuchtet
wurde. Ich schloß die Augen und versuchte, mir einzureden, ich
sei auf dem Mars und nicht innerhalb des Zeitversetzungsfelds, das
das Urgo-Polontha-System umspannte.
Aber man kann sich nicht unbegrenzte Zeit vor den Tatsachen
verschließen - und man kann die Augen nicht ewig
zusammenpressen, vor allem dann nicht, wenn man so wißbegierig
ist wie ich.
Also öffnete ich die Augen und sah mich diesmal gründlicher
um.
Ich schwebte mit geschlossenem Raumanzug im All und befand mich in
einem Orbit um einen Planeten, dessen Oberfläche allerdings
größtenteils von Wolken verhüllt wurde.
Wolken?
Ich schaute genauer hin. Das waren keine gewöhnlichen Wolken
aus Wasser beziehungsweise kondensiertem Wasserdampf. Sie sahen eher
aus wie Rauchwolken oder die zerfetzten Wolken eines Staubsturms.
Wenn sie kleine Gebiete der Oberfläche des Planeten freigaben,
erkannte ich felsiges Gelände, blaue Sanddünen riesiger
Abmessungen und etwas, das Vegetation sein konnte.
Der Planet konnte durchaus eigenes Leben entwickelt haben, aber
das war es nicht, was mich beschäftigte. Ich schaltete meinen
Armbanddetektor ein und sandte einen Reflexstrahl zur
Planetenoberfläche, um festzustellen, in welcher Höhe ich
ihn umkreiste.
Als der reflektierte Strahl in mein Gerät zurückkehrte,
errechnete das eingebaute positronische Element aus der verbrauchten
Zeit eine Distanz zur Planetenoberfläche von hundertvierzig
Kilometern. Selbstverständlich würde ich noch eine ganze
Serie von Messungen durchführen müssen, bevor ich die Form
meiner Bahn, die kleinste und größte Entfernung vom
Planeten und die Zukunftstendenz kannte.
Was diese Zukunftstendenz betraf, so sollte sie nicht mehr und
nicht weniger verraten, als daß ich meine Kreisbahn für
absehbare Zeit würde halten können oder daß ich so
schnell an Höhe verlor, daß ich unweigerlich in die
Atmosphäre eintauchen und beim Aufschlag sterben würde,
bevor Hilfe eintraf.
Über diese Hilfe hatte ich allerdings auch nur sehr vage
Vorstellungen. Mit ihr konnte ich nur dann rechnen, wenn Rorvic
meinen Gefährten sagte, was er mit mir angestellt hatte. In dem
Fall würden Gucky und Tobias sicher nach mir innerhalb des
Zeitversetzungsschirms suchen -und der Mausbiber sollte mich
eigentlich mit Hilfe seiner stark ausgeprägten telepathischen
Fähigkeiten aufspüren können.
Verschwieg der Tibeter allerdings, wohin er mich geschickt hatte,
dann blieb nur noch die winzige Hoffnung, daß ich von einem
Raumschiff der Schwarzen Dämonen zufällig gefunden wurde.
Die Frage, ob ich mich in meiner Relativvergangenheit oder
Relativzukunft befand, bewegte mich in meiner Lage überhaupt
nicht.
Nach einiger Zeit fiel mir ein, daß ich mein Helmfunkgerät
einschalten und rufen konnte. Ich tat es mit halbem Herzen, denn die
Reichweite war so begrenzt, daß man mich bestenfalls auf der
Planetenoberfläche empfangen konnte, wenn ich eine Funkstation
überflog.
Ich umkreiste den Planeten dreimal, bevor ich wußte, daß
ich mich in einer stark elliptischen Kreisbahn befand, deren höchster
Punkt hundertachtzig Kilometer und deren tiefster Punkt nur sechzig
Kilometer über der Planetenoberfläche lag. Außerdem
hatte sich meine durchschnittliche Höhe während der drei
Umkreisungen um anderthalb Kilometer verringert, so daß ich mir
ausrechnen konnte, wann ich in die Atmosphäre eintauchen würde.
Als ich die fünfzehnte Umkreisung beendete, schloß ich
mit meinem Leben ab. Ich schaltete meinen Helmrecorder ein und sprach
eine Abschiedsbotschaft für meine Frau und für Tobias. Ob
diese Botschaft sie jemals erreichen würde, war allerdings
ungewiß - und das betrübte mich noch mehr als meine
Aussicht auf einen
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