PR TB 193 Das Ende Der Duplos
Mister Templin",
sagte der Ältere. Templins Schätzung erwies sich als
zutreffend. Der Mann war siebzig, weißhaarig und wirkte
ausgemergelt.
Beide Männer waren mit grob bearbeiteten Fellen bekleidet.
Sie sahen aus, als wären sie von einer unglaublich schlechten
Robinson-Inszenierung davongelaufen. Offenbar steckten sie schon seit
längerem in der Wildnis, ein Zeichen dafür, daß der
angebliche Waldläufer ein wichtigtuerischer Schwätzer war.
Erst als die beiden Männer zur Seite traten, konnte Templin
die Frau sehen. Sie hielt das, was die Tochter versprach. Die Frau
war noch jung, höchstens dreißig Jahre alt. Auch sie war
in Felle gekleidet, die allerdings mit mehr Sorgfalt ausgesucht und
bearbeitet worden waren. Die Frau hatte, wie die Tochter, hellblonde
Haare und strahlend blaue Augen. Sie sah Templin in die Augen.
„Vielen Dank", sagte sie. „Ich heiße Gaelyn
Carruthers, dieser Mann ist mein Onkel Frank. Sie müssen mich
für eine sehr schlechte Mutter halten, nicht wahr?"
Templin schüttelte den Kopf. Der Bluterguß am
Hinterkopf der Frau war deutlich zu sehen, auch der halbverfaulte
Ast, der die Verletzung hervorgerufen hatte. Wahrscheinlich war sie
längere Zeit besinnungslos gewesen, ein Wunder, daß der
Ast ihr nicht den Schädel eingeschlagen hatte.
Templin ging zu der Frau hinüber und sah sich die Wunde an.
Sie war schwer, vielleicht sogar auf Dauer lebensgefährlich. In
dieser Wildnis konnten auch kleinere Verletzungen katastrophale
Folgen haben.
„Nehmen Sie sich das Mädchen", sagte Templin zu
dem Onkel. „Und sie helfen mir, die Frau zu tragen."
„Ich kann selbst gehen", wehrte die Frau ab. Templin
hielt sie nicht davon ab, als sie sich mühsam aufrichtete. An
den zuckenden Mundwinkeln konnte Templin erkennen, daß sie
große Schmerzen hatte. Er legte sich einen Arm der Frau über
die Schulter.
„Ich führe sie", sagte er. „Cardon, sichern
sie uns den Rücken. Ich hoffe, das Magazin Ihrer Waffe ist
geladen."
„Selbstverständlich", sagte der Hagere wütend.
Templin brauchte eine geschlagene Stunde bis zum Fuß des
Berges, und eine weitere halbe Stunde mußte vergehen, bis er
die Frau in die Höhle geschafft hatte. Der alte Mann ließ
sich nach der Kletterei erschöpft auf den Boden sinken. Cardon
betrachtete den Unterschlupf mit eher giftigen Blicken. t „Wie
lange sind Sie schon in dieser Gegend?" fragte Templin. Er
schaltete die Heizung ein, die von den Aggregaten des Gleiters ihren
Strom bezog. Es konnte nicht lange dauern, bis es in der Nähe
des Höhleneingangs ausreichend warm wurde. „Passen Sie auf
das Mädchen auf, sie könnte in die Tiefe stürzen."
Es war der alte Mann, der sich die Mühe machte, das Mädchen
auf den Schoß zu nehmen. Er wiegte sie einige Minuten lang,
dann war das Mädchen eingeschlafen.
„Über ein Jahr", sagte die Frau schwach. „Haben
Sie etwas von der Carruthers-Expedition gehört?"
Templin nickte, während er die Verletzung der Frau
untersuchte. Es war ein übler Bluterguß. Die
Gehirnerschütterung konnte er zwar nicht diagnostizieren, aber
sie war bei solchen Verletzungen praktisch unvermeidlich.
„Vor zwei Jahren sind Sie aufgebrochen, nicht wahr?"
Die Frau nickte.
„Wir wollten den Kontinent erkunden, aber wir hatten Pech.
Unser Gleiter stürzte ab, wir verloren den größten
Teil unserer Ausrüstung und mußten uns so durch die
Wildnis schlagen. Von der Expedition sind nur wir vier
übriggeblieben. Mein Mann ist vor sechs Monaten abgestürzt
und gestorben."
Ein Blick zur Seite auf das verkniffene Gesicht des angeblichen
Waldläufers erhärtete Templins unausgesprochenen Verdacht.
Immerhin, soviel mußte auch Templin zugeben, hatte er es
geschafft, die Gruppe über den letzten Winter zu bringen. Der
war zwar milder ausgefallen als üblich, aber das besagte auf
Lochny nicht viel.
Der alte Mann legte vorsichtig das schlafende Mädchen auf das
improvisierte Bett.
„Es ist das erste Mal seit vielen Monaten, daß wir
wieder ein sicheres Dach über dem Kopf haben", sagte er
schwach. Er hustete beständig.
Templin versorgte die Kopfverletzung der Frau mit den Mitteln
seiner kleinen Apotheke, viel mehr konnte er nicht tun.
„Wir stehen vor einem neuen Winter", überlegte er
halblaut. „Und der wird erheblich härter werden als der
letzte."
„Noch einen Winter in der Wildnis? Das werde ich nicht
überleben", murmelte der alte Mann. „Ich bin
Wissenschaftler, kein Fallensteller. Ich bin für ein Leben unter
diesen
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