PR TB 203 Rote Sonne Uber Rubin
Besessenheit versuchte der Schatten, sein
Gefängnis zu verlassen. Wieder und wieder rannte er gegen die
Grenzen des Nebelfelds an, wurde zurückgeworfen, verflüchtigte
sich, entstand an anderer Stelle von neuem. ein nicht enden
wollender, verzehrender Kreislauf des Grauens.
Man mußte ihm helfen!
Durfte nicht zusehen, wie sich jene wesenlose Gestalt selbst
verzehrte und in den Untergang trieb!
Der Gedanke vernebelte Heykos Sinne. Der Drang zur Hilfe wurde
übermächtig. Ohne wirklich zu wissen, was er tat, startete
er den Transporter. Mit überlasteten Maschinen hob der Gleiter
ab und schoß in Richtung des Dunstfeldes davon.
Der Schatten stieß einen weiteren Klagelaut aus; die
Außenmikrofone übertrugen es deutlich. Heyko wurde bald
wahnsinnig bei dem Gedanken, daß er zu spät kommen könnte.
Mit hoher Geschwindigkeit hielt er auf das umherwirbelnde Etwas
inmitten des phosphoreszierenden Nebels zu.
Da wurde er von hinten gepackt und aus dem Sitz gezerrt. Er wehrte
sich verbissen, aber gegen Judds kräftige Arme kam er nicht an.
Machtvoll wurde er beiseite geschoben. Mit flinken Handbewegungen
stoppte der Hüne den Flug und ließ den Transporter zu
Boden sinken.
Aus den Lautsprechern erscholl das Jammern des Schattens, der sich
der nahenden Rettung beraubt sah. Heyko sprang vor und rüttelte
den Kollegen an der Schulter.
»Warum tust du das?« schrie er ihn an. »Wir
müssen helfen! Warum tust
du das?«
Judd packte seine Arme und drückte ihn in den Beifahrersitz.
»Beruhige dich, Heyko!«
»Du verurteilst es zum Tode!« stieß der Forscher
hervor. »Sieh es dir an, wie es versucht, sich zu befreien. Wir
müssen helfen, verstehst du das nicht?«
Judd verstand nicht. Mit eisiger Miene hielt er den Kollegen fest.
Verzweifelt warf Heyko den Kopf hin und her, versuchte aus der
Umklammerung freizukommen. Er bäumte sich auf und strampelte mit
den Beinen. Es half nichts.
»Nancy, schnell! Er dreht durch.«
Judds Stimme schwoll in seinem Schädel schmerzhaft an,
verdrängte das fortdauernde Klagen des Schattens. Kurz erhaschte
er einen Blick nach draußen, auf das leuchtende Dunstfeld.
Der Schatten war verschwunden.
Nancy Corbett, die eben eine beruhigende Injektion vornehmen
wollte, zog die Hand zurück, als Heyko seinen Widerstand aufgab
und sich schlagartig entspannte. Sein Atem wurde ruhiger, unendliche
Müdigkeit überkam ihn.
Als Judd ihn losließ und den Blick durch die Frontscheibe
vollends freigab, beruhigte sich Heyko endgültig. Zufrieden
schloß er die Augen.
Der Dämon war frei.
Er hatte seiner Hilfe nicht bedurft.
Sperrgebiet
Die Welt war erfüllt von blinkenden Lichtern und tickenden
Geräuschen. Komplizierte Apparaturen zeigten ihre Funktion an
und druckten Meßergebnisse aus. Leises Murmeln verriet, daß
die Menschen, die die Maschinen bedienten, sich über dies und
jenes unterhielten.
Langsam klärten sich Heykos Sinne. Benommen richtete er sich
auf und versuchte, sich den Schlaf aus den Augen zu reiben. Judds
breites Gesicht tauchte vor ihm auf.
»Du hast lange geschlafen«, sagte der Hüne
besorgt. »Bist du wieder in Ordnung?«
Heyko strich sich das Haar aus der Stirn und erhob sich von seinem
Lager. Noch immer verwirrt ging er einige Schritte, stützte sich
an einer Konsole ab und drehte sich dann abrupt um.
»Ich habe mich ziemlich dumm benommen«, versuchte er
sein nächtliches Verhalten zu entschuldigen, das ihm deutlich in
Erinnerung war. »Ich habe keine Ahnung, was in mich gefahren
war.«
»Schon gut«, winkte Judd ab. »Du solltest dir
keine Selbstvorwürfe machen.«
So einfach war Heykos maßlose Verwirrung indes nicht zu
beseitigen.
»Wenn ich nur wüßte, was mich dazu getrieben
hat«, murmelte er. Die
Blicke des anderen spürte er fast körperlich. Irgendwo
erwachte das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen.
»Das ist nicht schwer zu erklären«, sagte Francis
ruhig. »Die Hyperstrahlung des Dunstfelds hat etwas zu lange
auf deinen Geist eingewirkt. Hinzu kam die Dunkelheit, in der der
Mensch bekanntlich ohnehin dazu neigt, ungewöhnliche
Beobachtungen überzubewerten und sich Angstvorstellungen
hinzugeben. Wir haben festgestellt, daß der Nebel seine
Konsistenz geringfügig verändert hat. Einen Teil dieses
Vorgangs hast du wahrscheinlich beobachtet und daraus völlig
irrationale Schlüsse gezogen.«
Judd nickte lachend.
»Unser Freund besitzt einen unübersehbaren Hang zum
Mystischen.«
»Laß es gut sein«, bat Heyko niedergeschlagen.
»Ich glaube, ich
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