PR TB 227 Wolken Des Todes
Götterpfeil mitten in der Nacht, wenn es nicht stürmt!
Lasse Flammen und Rauch lodern! Ganz Ägypten soll sehen, wie die
Krieger des namenlosen Mächtigen die Wolke besiegen."
Atlan-Anhetes, der Schreiber und ich starrten ihn an wie einen
Wahnsinnigen. Er hatte die größte, zusammenhängende
Rede gehalten, die ich je von ihm gehört hatte. Seine Wortwahl
war zumindest verblüffend gewesen. Jetzt grinste er breit,
schlug Atlan und Ocir auf die Schultern und brachte Ocir zum
Stolpern.
„Beim pergamentenen Nilhecht", keuchte Atlan. „Du
hast es uns allen gegeben, Freund. Eine Rede, die ihresgleichen
zwischen dem Meer und dem hundertelften Katarakt sucht."
„Wahr gesprochen!" stimmte Ocir zu. „Nur, da ist
etwas..."
„Was?"
„Es mag sein, daß halb Ägypten zusieht. Aber wir
selbst sehen nicht, ob wir Erfolg hatten oder nicht."
„Eine gute Bemerkung. Zünden wir das Ding in der ersten
Abenddämmerung."
„Also in zwei Stunden", erklärte Ocir. Er schien
über eine innere, unsichtbare Sonnenuhr zu verfügen.
„Einverstanden!" bestimmte Atlan. „Siehst du
irgendwelche Probleme, Ri... Ocir?"
„Nein. Sämtliche Tests verliefen reibungslos, korrekt,
vollständig, zuverlässig und vielversprechend. Absolute
Startbereitschaft, Gebie... Atlan-Anhetes."
Ptah deutete halb über die Schulter mit dem Daumen auf ihn
und bemerkte finster: „Er hat schon wieder am Bier
geschnuppert."
„Ich glaube", antwortete Atlan nach einer kleinen
Weile, „daß ich verrückt werde, wenn dieses Ding
nicht bald startet. Wieviel Zeit bleibt uns noch bis zur Dämmerung,
Ocir?"
„Vier Stunden!"
„Dann", sagte Atlan befehlend, „verteilt ihr das
Bier, den Wein, genügend Essen. Wir warten."
Die Soldaten und die Arbeiter taten nichts lieber, als Atlans
Befehl zu gehorchen. Aber trotzdem lastete die Spannung auf jedem
Menschen in dieser Schlucht. Das Geschoß stand aufgerichtet
zwischen den Holzstücken, um die sich dicke Seilschlingen
wanden. Die scharfe Spitze deutete nach oben, direkt ins dunkler
werdende Herz der Wolke.
Es gelang den Männern, in der fallenden Dämmerung das
feuchte Holz in Flammen zu setzen. Drei Feuer brannten, und dicke
graue Wolken aus Rauch stiegen auf. Jedermann hatte einen Becher in
der Hand, und bald würden alle Krüge leer sein.
Ich gab es auf, über die fremden Wörter nachzudenken,
die Ocir von sich gegeben hatte. Auch ich trank, während wir
warteten.
Ohne daß ein Wort gesprochen wurde, näherten sich die
Handwerker und Arbeiter, die Soldaten und alle anderen dem Geschoß.
Es schien eine magische Grenze zu geben, denn als alle still standen,
bildeten sie fast einen vollkommenen Kreis von zwanzig Mannslängen
Radius um den obersten Teil der Prozessionsstraße. Die
Sonne war abermals unter der Wolke heruntergekrochen und
versteckte sich jetzt hinter schwarzen Ballungen und Schleiern. Ocir
und Atlan nickten einander zu.
„Eine halbe Stunde!" sagte Ocir-Khenso und stapfte
hinüber zum Geschoß. Er erkletterte zuerst die oberste
Plattform, öffnete und schloß den Verschluß wieder,
wiederholte dasselbe eine Plattform tiefer und drehte sich dann um.
Mit einer Stimme, so laut wie Donner, schrie er:
„Geht alle weg, versteckt euch hinter den Zelten, hinter den
Felsen und jenseits der nassen Dünen. Wenn ich abermals rufe,
duckt euch für zwanzig Atemzüge. Ihr werdet blind, wenn ihr
in die mächtige Flamme seht. Erschreckt nicht, denn es wird ein
furchtbares Heulen und Lärmen geben. Der Rauch und die Dämpfe
sind harmlos. Verlaßt die Schlucht, Freunde!"
Wir alle zogen uns zurück.
Ptah, Atlan, der Schreiber, Ocir und ich suchten Schutz hinter
einer kammartigen Felsplatte. Die Sonne versank, die Dämmerung
nahm zu, an der Stille rundum änderte sich nichts, während
wir mit klopfenden Herzen warteten.
Dann rief der Mondroboter seine letzte Warnung.
Wieder schien eine kleine Ewigkeit zu vergehen. Ich hob meinen
Kopf über die scharfkantigen Felsen, aber Atlan zog mich schnell
wieder nach unten. Kaum berührten meine Handflächen den
Sand, donnerte übergangslos der Lärm los. Die Felsen
bebten, die Sandkörner schienen sich in Wasser zu verwandeln.
Durch die geschlossenen Lider drang die furchtbare Helligkeit. Die
Welt um uns herum wollte sich auflösen. In langen Fontänen
rieselte Sand über die Kanten der Felsen. Der Donner nahm zu,
veränderte aber seinen Klang. Laut kreischend rasten die Esel
davon.
Dann waren wir in stinkenden, dichten Rauch gehüllt. Durch
den schwarzen Qualm
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