PR TB 242 Herr Der Hundert Schlachten
löste sich der Bann. Der Speer fuhr neben ihm in den
Boden. Er nahm das bluttriefende Schwert in die Zähne, schob mit
fliegenden Fingern den Ring zusammen und schrie:
»Atalantos! Hilf meinen Kampfgefährten. Wir sind bei
Darius.«
Jetzt wußte ich es. Ich hatte auf diesen Notruf gewartet.
Die Androiden hatten den Ruf gehört und handelten sofort. Wir
setzten uns die Helme auf, banden die Kinnriemen fest und schalteten
die körpereigenen Abwehrfelder ein. Niemand sprach. Jeder zog
sein Schwert und gab dem Pferd die Sporen. Lanzenspitzen funkelten in
der Nachmittagssonne. Ich ritt an die Spitze und sah weit vor mir,
unendlich klein, die kampfumtoste Zone, in der sich Darius und
Alexander einander näherten. Auch wir bildeten einen Keil.
Rappen und Falben, ein Schimmel, dunkles, blitzendes Eisen der
Rüstung, rasendes Hufgetrappel, gesenkte Lanzen und geschwungene
Schwerter, dazu die großen runden Schilde, die jeden
verbliebenen Sonnenstrahl zurückwarfen, so donnerten wir
geradeaus durch die Reihen der Kämpfenden. Die Lähmwaffen
heulten ununterbrochen auf. Vor uns bildete sich eine breite Schneise
stürzender, fallender und taumelnder Körper.
Jeder von uns wußte, was zu tun war. Wir würden uns an
dem Gemetzel nicht beteiligen. Mit rasendem Galopp näherten wir
uns den rasselnden und Schlamm aufwirbelnden Sichelwagen. Alexander
war links von uns eingekeilt und hieb wild um sich, einen tödlich
erschrockenen Ausdruck im Gesicht, von dem wir unter dem Schutz des
Helmes nicht viel sahen. Die persischen Reiter, mit denen er sich
schlug, waren unvorstellbar prächtig und schwer gerüstet,
und sie kämpften schlecht. Alexanders Schenkel war von einer
tiefen Schnittwunde gezeichnet und blutüberströmt.
Niemand beachtete uns wirklich, bis zu dem Punkt, an dem wir die
Sichelwagen erreichten. Das Geschrei der Kämpfenden, Hufschläge,
das Keuchen der Pferde, die Todesschreie, das Gebrüll der
Verwundeten, das Rattern der schweren Räder und das Kreischen
der Achsen, unsere eigenen Laute - das alles vereinigte sich zu einem
Geräuschinferno, in dem das klare Denken auszusetzen begann.
Rechts und links von uns fielen Perser, und diejenigen, die ihre
Kameraden aus dem Sattel kippen sahen, ohne daß Speere aus
ihrem Rücken ragten oder Blut über ihre Körper rann,
wandten sich in heilloser Flucht. irgendwohin. Dann trafen die
Lähmstrahlen die Lenker der Wagen.
Plötzlich war Alexander mit wenigen seiner Getreuen an meiner
linken Seite. Er funkelte mich an, hob das Schwert und formte mit
seinen Lippen
unverständliche Worte. Wir wechselten einen langen Blick,
dann starrte ich in das totenbleiche Gesicht des Darius, keine
dreißig Schritte entfernt. Er sah im selben Moment seinen
Gegner. Wieder dröhnten die Paralysatoren auf, und ich führte
unseren furchtbaren Stoßkeil in einer weiten Kurve nach links
zurück zu dem Punkt, an dem wir losgeritten waren.
Das Tageslicht begann zu schwinden, als Darius seinen Wagen wandte
und zu fliehen begann.
Wir kämpften uns in rasendem Galopp einen Weg zurück.
Überall flüchteten die Perser. An unseren unsichtbaren
Schutzschirmen prallten alle Geschosse unschädlich ab. Ein
letzter Blick zeigte mir Alexander, dessen persönlicher Mut
außer jedem Zweifel stand. Er versuchte, Darius mit einer
federnden Sarisse zu töten, aber todesmutig warfen sich Krieger
zwischen ihn und den Perser.
Drei Streitwagen rasselten davon, in den sinkenden Abend hinein.
Die Perser schützten ihren Herrscher mit ihrem Leben. Die
Makedonen, die ihren Sieg greifbar nahe sahen, begannen wie die
Geschundenen zu schreien. Irgendwo am Rand des Schlachtfelds, wo der
Wagen wegen der Bodenwellen nicht mehr weiterkam, ließ Darius
seinen prunkvollen Königsmantel und den Schild im Wagen zurück,
wechselte auf ein bereitgehaltenes Pferd über und floh nach
Süden.
Unser Sturmangriff endete dort, wo es keine Perser mehr gab. Wir
schalteten die Schirme aus und trabten langsam zum Schiff zurück.
Ich fing einen langen Blick von Chalco auf.
»Mir scheint«, sagte er ruhig und hängte sich den
Helm über die Schulter, »daß du einen Narren an
Alexander gefressen hast.«
Ich grinste säuerlich und mußte bekennen:
»Du hast nicht unrecht. Ich entdecke, daß wir einander
ähnlich sind. Aber ich würde mich im entscheidenden
Augenblick auch gegen ihn entscheiden. Er verdankt uns sein Leben.«
»Den Eindruck hatte ich heute mehrmals!« stimmte Atisa
lautstark zu.
Am nächsten Morgen legten wir mit drei Schiffen
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