PR TB 245 Das Ende Eines Herrschers
steckten Pfeile mit
abgebrochenen Schäften. In einem Winkel lag ein Kind mit einer
Wunde, die den Schädel weit aufklaffen ließ. Aus einem
Hauseingang, dessen Pfosten versengt waren, kroch auf allen vieren
eine alte Frau. Ich fand den Schild eines unserer Freunde. Mein
Entsetzen wuchs von Schritt zu Schritt. Es gab für mich keinen
Zweifel darüber, daß Alexanders Truppen die friedliche
Siedlung überfallen hatten. Frauen und Kinder? Sie waren in die
Sklaverei geführt worden. Mit meinem Schmerz wuchs mein Zorn und
machte mich
sprachlos.
Meine Freunde schrien wild durcheinander, schwärmten aus und
begannen, die Siedlung zu durchsuchen, von unten nach oben. Ich trat
in ein Haus ein, das ich gut kannte. Das Haus war leer, ausgeraubt,
ein Greis lag, einen Speer im Rücken, im Patio neben der
sprudelnden Quelle. An jeder Stelle sah ich Spuren der Verwüstung.
Ich ging die breite Treppe hinauf, die zu unseren Häusern
führte. Auf der elften Stufe lag ein toter Makedone mit einem
Pfeil im Hals. Ich erkannte die Befiederung unserer Pfeile. Ich
wußte, daß zehn unserer ehernen Krieger in Shanador
geblieben waren - ich hoffte, daß viele von ihnen mit den
Fischern hinausgefahren waren. Fischer! Ich blickte hinaus auf das
Hyrkanische Meer und zählte insgesamt neun Segel. Es gab also
eine deutliche Spur von Hoffnung.
Ich lief die nächsten Stufen hinauf.
Zwei tote Perser waren mitten im Angriff zusammengebrochen. Beide
hatten Pfeile in der Brust, genau unterhalb des Kinns. Ich hob meine
Streitaxt und rannte die gekrümmte Treppe nach rechts. Hier
hatte es nicht gebrannt. Eine ausgegangene Fackel lag auf den Stufen.
Blutspuren sickerten hinter einer Tür hervor. Ich riß sie
auf, sprang zur Seite und wuchtete mit dem Knie den Körper eines
bärtigen Makedonen in den Staub. Sein Hals war von einem
tödlichen Schwerthieb getroffen.
Ich stolperte zwischen vier Toten hindurch. Es waren Angehörige
von Alexanders Truppen. Alle vier waren durch Pfeilschüsse
getötet. Wieder sah ich ein Kind, dessen Schädel
zerschmettert war, einen alten Mann, dessen hölzerner Dreizack
abgebrochen war. Das nächste Haus, das einige unserer Krieger
bewohnt hatten, zusammen mit ihren medischen und persischen Dienern
und Freundinnen, war leer. Ich sah in den Verstecken nach - etwa die
Hälfte unserer unersetzlichen Werkzeuge, Ausrüstungen und
Waffen waren verschwunden.
Seltsam unbetont und knapp meldete sich der Extrasinn:
Du wirst schnell und durchgreifend handeln müssen, Arkonide!
Dein Brief an Alexander ist wohl unterschlagen worden oder
verlorengegangen.
Ich wußte jetzt, daß alle meine unterdrückten und
überspielten Vorbehalte richtig gewesen waren. Ich wurde immer
schneller und wirbelte durch die kleinen Gärten, die überdachten
Höfe, die kleinen und großen Räume. Ich fand nur noch
tote Angreifer und insgesamt dreizehn tote Bewohner der
Ptah-Sokar-Siedlung. Zwanzig getötete Makedonen, Perser und
eingeborene Führer fand ich an den höchsten Punkten der
Ansiedlung. Schließlich stand ich an dem Tor der Mauer, von der
herabrutschendes Erdreich aufgefangen worden war. Die Pforte klaffte
weit offen. Wie betäubt lehnte ich mich an den kühlen
Stein. Über mir rauschten die Blätter eines riesigen
Eichbaums.
Ich wirbelte herum, als ich leise Schritte hörte. Mein Arm
zuckte hoch, ich sprang in Deckung. Aus dem Halbdunkel der Büsche
flüsterte jemand mit heiserer Stimme.
»Ich bin's, Atalantos. Atarga!«
»Komm heraus. Was ist passiert - und, wann kamen die
Griechen?«
Atarga schob die Büsche auseinander und taumelte ins Freie.
Ich fing ihn auf und legte einen Arm über meine Schultern.
Schweigend schleppte ich ihn bis zur nächsten Steinbank. Atarga
war blutüberströmt. Eine Stirnwunde, eine am linken
Oberarm, ein klaffender Riß im Lederwams, seine Hände
waren voll getrocknetem Blut, er keuchte, war zu Tode erschöpft
und trug die leere Schwertscheide, einen leeren Köcher und den
blutbeschmierten Bogen.
»Sie kamen von unten, von der Mole. Ich versteckte unsere
Ausrüstung, riß die Waffen an mich und schrie, was ich
konnte.«
Ich nickte ihm zu, hob die Hände an den Mund und brüllte
hinunter zu den anderen Freunden.
»Helft uns. Atarga lebt. Bringt Wein, macht Wasser heiß!«
Ich fing bereits an, rasend schnell zu überlegen. Eine Kette
einzelner Schritte mußte eingeleitet werden. Atarga sprach
weiter.
»Es waren vielleicht zweihundertfünfzig. Sie schleppten
die Kinder und die Frauen weg. Es gab fast nur
Weitere Kostenlose Bücher