PR TB 245 Das Ende Eines Herrschers
abgeschlossenen Zone nur selten.
Einige Tage lang ritten wir auf Wegen, die mir seltsam vertraut
schienen. Natürlich war dieser Eindruck eine Illusion; ich war
niemals hier gewesen. Jenseits der Erinnerungsblockade gab es bei
Charis und mir so etwas wie eine karge, aber gut arbeitende Ahnung.
Bilder und Umgebungen, die wir einmal gesehen und »erlebt«
hatten, konnten wir nicht restlos vergessen. Es war wie das zögernde
Tasten, mit dem Amöben ihre Pseudopodien ausstreckten - auch sie
wußten auf nicht-rationale, rein instinktive Weise, wo sie sich
befanden.
Die Wärme, die tropischen Wälder, die herrliche Natur
und die unaufdringliche und echte Freundschaft der Nachkommen unseres
Freundes hatten von Anfang an bei uns eine Stimmung der Zufriedenheit
und Freude erzeugt und vertieft, von der wir wußten, daß
sie der Auftakt grausiger Ereignisse sein mußte - wir hatten
gelernt, dem Frieden nicht zu trauen. Aber in diesen Tagen und Monden
vergaßen wir unsere Ahnungen und erfreuten uns an schnellen
Jagden, die voller abenteuerlicher Erlebnisse waren, an den Nächten,
die wir in den Fischerbooten verbrachten, angelten und Netze
auswarfen, Wein tranken, endlose Geschichten erzählten und den
gefangenen Fisch über dem Holzkohlenfeuer brieten, mit
unbekannten, aber wohlschmeckenden Kräutern gewürzt.
Es war später Morgen an einem dieser unvergeßlichen
Tage. Wir waren nur noch zwei Stunden oder etwas mehr von Shanador
entfernt und ritten in gestrecktem Galopp den Strand entlang. Die
Pferde witterten die fetten Weiden und die ruhige Koppel und rannten,
ohne daß wir die Sporen einzusetzen brauchten. Ihre Mähnen,
unsere leichten Mäntel und das Haar flatterten im Wind. Schon
sahen wir zwei Fischerboote, die auf den hochstrebenden Mast der Mole
zusegelten. Wir standen in den Steigbügeln und genossen die
Schönheit dieses schnellen Rittes, der Sand
hochschleuderte, das herrlich frisch und süß
schmeckende Wasser aufspritzen ließ und die kleinen Vögel
vom Sand wegscheuchte.
Ich spürte es zuerst.
In der ruhigen Luft des Vormittags war Rauch. Ich hob den Kopf,
blinzelte im grellen Licht und versuchte, etwas hinter den
bewachsenen Hügeln zu erkennen. Die Pferde wieherten dumpf und
unruhig. Wir sprengten weiter, und der Rauchgeruch verstärkte
sich. Er kam aus der Richtung unserer Siedlung und wurde auf das Meer
hinausgeweht. Sokaris schrie hinter mir:
»Sie haben den Braten fertig, wenn wir ankommen!«
Es roch keineswegs nach Braten. In den hauchfeinen Rauchfäden,
die zwischen den Baumstämmen und dem Unterholz hervorkamen,
waren vertraute Gerüche. Ich spürte Horn, verbranntes
Leder, verbranntes und verkohltes Fleisch. Meine Unruhe wuchs, ich
setzte die Sporen ein, stellte mich in den Steigbügeln auf und
überholte mit dreißig Galoppsprüngen alle Reiter.
Zwischen uns und der Siedlung schoben sich noch drei grüne Hügel
bis nahe an den Strand, schon sah ich dahinter die eckige Felsnase
aufragen, sah die Linien, Schatten und das schulterlange Haar, das
mit dem Stein verlief, mein eigenes Gesicht, das auf die Siedlung
hinunterblickte.
Mein Schimmel merkte meine Aufregung und wurde schneller, ohne daß
ich Zügel und Sporen gebrauchen mußte. Der steinerne Damm
tauchte auf, die Boote schoben sich in mein Blickfeld. Ein halbes
Dutzend von ihnen waren auf den Strand, jeder weitere Herzschlag ließ
mich erkennen, daß meine Ahnungen eingetroffen waren. Die
Boote, hervorragende Handwerksarbeit, waren halb zertrümmert,
und an einigen Stellen schwelten die Stringer und Planken. Ich riß
den Schimmel herum, als ich freien Blick auf die halbmondförmig
ansteigende Siedlung hatte, parierte das Tier durch, das auf die
Hinterbeine sank und durch den Sand rutschte, sich schüttelte
und hochkam.
Shanador war überfallen worden! Ich drehte mich im Sattel
zweimal herum, blickte zur anderen Seite und sah, daß meine
Freunde im gestreckten Galopp herankamen. Ich galoppierte auf die
Straße zu, die aus der Mitte der halb eingestürzten,
rußgeschwärzten Häuser, deren Dächer verbrannt
waren, zum Hafen hinunterführte. Über den steinernen Mauern
lagen tote Körper. Mein Pferd sprang die unregelmäßigen
Stufen hinauf, und auf dem Platz sprang ich aus dem Sattel und zog
mein Kampfbeil. Langsam ging ich weiter.
Mein Fuß stieß an einen Helm, der klappernd über
das Pflaster rollte. Todesstille herrschte überall. Nur das
Säuseln des warmen Windes war zu hören und das Plätschern
der Wellen. In hölzernen Wänden
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