PR TB 245 Das Ende Eines Herrschers
riskanteste war bei über hundert Schritt
abgegeben worden. Beide hatten damals das Ziel getroffen.
Arthasar, einer der Elefantenlenker, schüttelte den Kopf und
sagte, als wir zu unserem Ziel wanderten und die Geschosse
einsammelten:
»Wenn du, Fürst Atalantos, andere Dinge so gut vermagst
wie diese Kunst, dann wird dich Chandragupta zum Fürsten
>unserer< Stadt machen und deinen Rat hören.«
»Ich werde mir größte Mühe geben«,
versicherte ich lachend und sah im Norden auf dem niedrigen
Schwemmlandhügel, wie sich Sonnenstrahlen in Metall spiegelten
und bis zu uns her blitzten. »Jeder meiner Freunde aber ist
ebenso gut wie ich. Wartet nur, bis wir anfangen.«
»Wirklich! Die Fremden mit dem großen Kanu sprechen
unsere Sprache! Sie sind mächtig und sind doch die Freunde
einfacher Krieger. Ihr Fürsten, mit euch kommen die guten
Jahre!«
Ich schloß verwirrt die Augen und dachte an ganz andere
Dinge.
»Mit uns kommen viel Arbeit und Anstrengungen und,
vielleicht, auch der Versuch, uns alle in guter Laune zu halten«,
murmelte ich. Wir gingen, während das Gestirn honiggelb in rosa
Wolkenbänken versank, zurück zum Lager und wuschen uns an
einer Stelle, an der die Elefanten nicht allen Schlamm aufgewühlt
hatten.
Vier dünne Lederschnüre hielten die Ecken eines großen,
dünnen Tuches. Mit beschwerten Säumen lag es auf den
Planken des Achterdecks. Wütend summten Stechmücken draußen
um die Flamme der winzigen Öllampe, die in der Nähe des
Ruders stand. Wir waren allein, um uns gab es nur die Laute der
Natur. Ich lag ausgestreckt auf dem Rücken und dachte nach. Mein
Verstand summte wie ein Kreisel und beschwor Szenen und Bilder.
»In Wirklichkeit ist das, was wir treiben, eine Vision«,
flüsterte Charis. »Mir scheint, wir haben von den Krebsen
gelernt, Deckung zu suchen. Was tun wir wirklich? Was verändern
wir?«
Vernunft und lernbare oder gelernte Klugheit fielen auf dieser
Barbarenwelt
ab wie der Panzer einer Larve. Überleben war alles. Der
Versuch, am unendlich weit entfernten Endpunkt der Entwicklung ein
Raumschiff zu bauen, schien heute eine Utopie zu sein.
»Wir bringen den Bewohnern dieser Welt Wissen, Kultur und
Schönheit«, antwortete ich. »Davon sind wir beide
überzeugt. Was sie daraus machen, ist nicht in unserer Macht.«
Ich wünschte wieder einmal, ich könnte Charis die
ARKON-Welten zeigen, ihr wenigstens den dritten Planeten von Larsafs
Stern aus dem Weltraum vorführen. Alles, was ich vermochte, war,
ihr Sicherheit und Zufriedenheit zu geben. Ich küßte sie
und fuhr mit den Fingern durch ihr Haar.
»Unsere Worte und Taten«, sagte ich leise, »haben
schon die Bedeutung von Kerben im Stein angenommen. Vielleicht hält
Chandragupta, was Alexander versprochen hat.«
»Glaubst du daran?«
»Nein«, sagte ich. »Schon versperrt sich der
Horizont wie ein rauchender Vulkan. Die Zukunft ist reichlich dunkel.
Etwas heller ist sie für uns, Liebste.«
Im Lauf der Jahre, in denen wir nicht im Tiefschlaf inaktiv,
sondern zwischen den Barbaren umhergeirrt waren, ohne eigentliche
Heimat und dennoch überall zu Hause, war Charis von einem
Mädchen zu einer jungen Frau herangereift. Ihr Körper war
ein wenig voller geworden, ohne aber seine geschmeidige Schönheit
verloren zu haben. Ihre Erinnerungen waren ebenso gelöscht wie
meine, aber die Erfahrungen und die Spuren der Erlebnisse ließen
sich nicht austilgen. Unser Verhältnis zueinander war problemlos
geworden; Charis war der einzige Mensch, der mich verstand. Sie war
begehrenswerter, reifer und schöner geworden. Ich konnte mir
nicht vorstellen, daß es ein Leben ohne sie gegeben hatte.
Viele Mädchen und Frauen hatte ich in diesen Jahrtausenden
gekannt, geliebt und vergessen müssen. Ich wagte nicht, an ein
Ende zu denken und hoffte, daß der Humor von ES weniger
gräßlich war, als ich befürchten mußte. Es war
unendlich beruhigend, im Tiefseeversteck aufzuwachen und Charis neben
mir liegen zu sehen.
»Heller? Einzuschlafen mit der Gewißheit, wieder
aufzuwachen und sich Fragen gegenüberzusehen, die wiederkehren
wie der Regen vom vorigen Jahr?«
»Die Griechen sagen: >Das Chaos ist das Natürlichem
Auch für uns.«
»Wer außer dir, Geliebter, ist unsterblich?«
fragte sie zurück. »Und dieser Makedone, der ein schlimmes
Ende nehmen wird.«
»Denke an die nahe Zukunft«, flüsterte ich,
»nicht an die Ewigkeit danach. Wir haben herrliche Jahre hinter
uns, wir haben ebensolche vor uns. Es gibt keine Sicherheit,
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