PR TB 245 Das Ende Eines Herrschers
Er,
gezeugt vom Blitz des Zeus, Sohn der Götter, auf wunderbare
Weise mit eiserner Gesundheit gesegnet, Herrscher über den
größten Teil der bekannten Welt, gab nicht auf. Es zog ihn
weiter - er mußte das östliche Ende der Welt erblicken.
Sein Blick fiel wieder auf Kleitos. Fünfzigjährig,
voller Bartstoppeln, rotgesichtig und betrunken schwankte er hin und
her, der Hipparch der Reiterei, der letzten »Kampfgefährten
zu Pferde«, der Bruder jener Amme, an deren Brüsten
Alexander gesäugt worden war. Plötzlich haßte
Alexander sie alle mit ihrem beschränkten Ehrgeiz, mit all ihrer
Kleinmütigkeit, mit der fehlenden Einsicht an Gedanken, die
wahrhaft großartig und daher göttlich waren. Sie waren
treu, ohne Zweifel, sie kämpften wie die Rasenden, und die
Reiter des Kleitos waren mit ihren Pferden verwachsen, als wären
es Zentauren.
Aber ihre Fähigkeiten waren zu gering. Wieder einmal mußte
er an Atalantos denken, den einzigen Mann den er nicht zwingen
konnte. Der Toxarchos war auf unangreifbare Weise selbständig
wie er, unabhängig und voller Fähigkeiten, um die ihn
Alexander beneidete, obwohl er sie nicht
kannte. Von ihm konnte er erfahren, wie die Welt wirklich aussah,
meinte er. Durch das Lärmen drang Kleitos schneidende Stimme:
»Sonst bist du einer der Lustigsten, Alexander. Warum so
still, heute, wo alle anderen trinken und feiern?«
»Weil ich«, sagte Alexander in die plötzlich
entstandene Stille hinein, ȟber Vergangenes,
Gegenwärtiges und Zukünftiges grüble, während ihr
in der Gegenwart euch berauscht.«
Brüllendes Gelächter und Pokalgeklirr antworteten ihm.
Seine ziellose Wut wuchs, sein Blut begann sich zu erhitzen. Unter
dem Diadem pochten die Schläfenadern. Streit lag in der Luft.
Die Pagen rannten hin und her, brachten volle und tauschten sie gegen
leere Weinkrüge. Braten dampfte, die Gesichter und Hände
der Männer waren fettverschmiert, und kleine Stücke der
Gewürzkräuter klebten auf den Wangen und in den Barten. Sie
verliehen der Gesellschaft den Ausdruckkranker, pustelbedeckter
Bacchanten.
»Im Rausch habe ich die besten Gedanken!« hörte
Alexander wieder diese Stimme. Er antwortete in aufflammender
Bitterkeit und in einem Tonfall, der weniger betrunkene Männer
hellhörig gemacht und gewarnt hätte:
»Regiere du Baktrien und werde am Oxus in Würden alt.«
Und gallig fügte er hinzu:
»Wein, Lustknaben und Hetären gibt es auch hier und
zwar nicht wenig.«
Kleitos? Ein Satrap in Baktrien? Anführer von fünfzehn
Tausendschaften griechischer Soldaten? Verantwortlich für einen
der wichtigsten Eckpfeiler des Reiches? Dort saß er, lästerte
und schimpfte, brüstete sich mit Heldentaten, die für
andere Männer alltäglich waren. Alexander hob die Schultern
und dachte wieder an den eigentümlichen Fremden, er stellte sich
wieder vor, wie er und dessen eiserne Reiter ihn aus dem Getümmel
herausgeschlagen hatten. Noch, so dachte er traurig, steckte an
seinem Finger der Ring, mit dem er seine Hilfe herbeirufen konnte.
Aber in einer jähen Aufwallung von herrscherlichem Stolz rief er
sich zur Ordnung. Er, der göttliche Alexander, hatte Hilfe, die
nicht freiwillig und aus Begeisterung für ihn heraus gegeben
wurde, nicht nötig. Er streckte den Arm aus, ein Page goß
Wein in den schweren Pokal.
»Der Wein«, schrillte Kleitos, »ist der Spiegel
der Seele.«
Alexander schoß einen Blick auf Kleitos ab, den nur
Hephaistion und Bagoas sahen. Alexander suchte jetzt etwas, das für
Kleitos sprach. Der Mann alterte. Er war krank gewesen. Er trank zu
häufig und zu viel, und dann fing er an zu pöbeln. Er
vergaß nicht, daß Alexanders Vater Philipp eine andere
Weltanschauung hatte. Er war beleidigend zu Alexanders bestem Freund
Hephaistion. Er war sicher, daß seine Würde verletzt
wurde.
Jetzt - Alexander verstand nur einiges von dem, was er hervorstieß
-brüstete er sich damit, daß ohne seinen Mut Alexander am
Granikos getötet worden wäre. Dann sprach er davon, daß
Alexanders Ruhm eigentlich Makedonien galt, etliche Zeit später
beschimpfte er Alexander und warf ihm vor, er eifere gesichtslosen
Helden der Sage nach, weil er hoffte, von einem größeren
Sänger als Homer besungen zu werden. Und als er ausrief, daß
Alexander viel von einem Zeus-Sohn, wenig aber von einem
erfolgreichen Feldherrn habe, stand Alexander schweigend auf und
trank den Pokal leer.
Alexander holte Atem und bezwang sich, obgleich er innerlich
raste. Die Gestalten verschoben sich vor
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