PR TB 246 Expedition Ins Totenreich
dem
Augenring des Kürbiswesens ein vertikaler Riß entstand.
»Ich sterbe nicht«, krächzte der Fremde. »Niemand
stirbt. Es gibt keinen Tod. Es gibt kein Leben. Jedes Lebewesen ist
nichts weiter als eine Sonde, die mittels eines n-dimensionalen
Prozesses.«
Eine Sonde, durchfuhr es Sayla Heralder. Wie recht du hast,
namenloser Fremder. Genau das sind wir. Sonden, die ein Geschöpf,
das wir nicht einmal verstehen können, in dieses sonderbare,
mörderische Universum geschickt hat. Sprich weiter. Sag das, was
du schon einmal gesagt hast. Sage es hundertmal, tausendmal. Immer
wieder.
».Sie erforschen diesen Kosmos«, krächzte das
grüne, kürbisähnliche Wesen, »und wenn ihre
individuellen Speicher mit Informationen gefüllt sind, erhalten
sie den Rückkehrbefehl. Das ist der Tod - eine
Informationsübertragung aus dieser Raum-Zeit-Ebene in ein
anderes Kontinuum.«
Der Knochige sah hilfesuchend zu einem Punkt dicht neben Tart, der
stehengeblieben war und mit finsterem Gesicht ins Leere blickte.
»Verstehen Sie das?« fragte der Knochige die Luft, und
Sayla wußte, daß vor wenigen Tagen noch diese Frage
direkt an sie gerichtet war. »Begreifen Sie, was dieses Ding
damit sagen will?«
Einen Moment später ging Tart weiter. Der Knochige wandte
sich wieder
dem exotischen Fremden zu, als diese tödliche Aura erneut
aufflammte und beide in ihr Gleißen hüllte. Die Helligkeit
wurde so stark, daß Sayla fortschauen mußte, und dann
erlosch das Licht.
Finsternis.
Nichts. Pures, grausiges Nichts.
Es besaß genau die Umrisse des Knochigen Terraners und des
Nonhumanoiden, und es war schwärzer als es selbst der Leerraum
zwischen den Galaxien jemals sein konnte.
»Sie stehlen mir mein Leben«, preßte Sayla
hervor. »Diese Bastarde rauben mir meine Erinnerungen.«
Sie bebte vor Zorn und Angst an allen Gliedern, und durch die Tränen
in ihren Augen nahm sie ihre Umgebung nur verschwommen war.
»Ich bin auf Siliith gewesen«, zwitscherte K'iin. »Auf
meiner Heimatwelt. Es war der Tag meiner Reife. Vor über vierzig
Erdjahren. Alles war so real wie diese Welt. Ich sah meine Eimutter
wieder, die längst schon bei den Toten weilt, und dann kam das
Licht, und meine Eimutter verschwand, und zurück blieb ein
finsteres Loch wie dieses.«
Seine pelzige, feingliedrige Klaue war warm in Saylas Hand, und
sie war froh über seinen Händedruck, weil ihr allein die
Berührung so etwas wie ein Gefühl der Sicherheit schenkte;
Sicherheit in einer Welt, die ihre Stabilität verloren hatte und
dahinschmolz wie ein Eiswürfel in der Sonne. Sie nehmen uns
alles, diese Fremden, dachte Sayla verbittert, bis auch wir zum
Schluß verschwinden, genau wie Tom es gesagt hat. Sonderbar,
wie fest K'iins Hand wirkt, obwohl sein Körper nur die
Imagination seines Geistes ist.
Ohne Vorankündigung wechselten sie in das Grau der Sphäre
über. Dort ist Bhan! schrie Sayla, aber nicht mit ihrer Stimme,
sondern mit ihren Gedanken. Der Schrei stach wie ein Laserblitz durch
den Dunst, aus dem der Tefroder hervorschoß und dann schräg
an ihnen vorbei in die Höhe zu steigen drohte. Haltet ihn!
brülltet Con Tom. Sayla registrierte, daß sich bei dem Ruf
des Haluters Bhans Geschwindigkeit verringerte. Komm, Tayaner Bhan!
schrie sie dem Tefroder zu. Komm zu uns! Bhan driftete ab, doch die
Kraft ihres psychischen Befehls ließ ihn dann eine Drehung
beschreiben und fast mit Com Tom kollidieren. Der Haluter hielt
Tayaner Bhan fest.
Sayla stand am Fuß eines aschgrauen Hügels und sah
hinauf zu Tart, der nachdenklich eine Tablette in der Hand wog.
Unweit von ihr hatte sich eine kleine Gruppe versammelt; zwei
geckenhaft herausgeputzte Männer, eine Frau mit violettem und
rosa Make-up, ein lederhäutiger Epsaler. »Wieder auf dem
Fest der Selbstmörder«, murmelte sie. K'iin drückte
ihre Hand, und sie glaubte, in den nichtmenschlichen Augen seines
Tellerkopfes Mitleid zu erkennen, schüchterne Anteilnahme, die
so menschlich war, daß ihre Angst verschwand, als hätte
sie es nie gegeben.
Die Läuterung beim Sturz ins Totenreich, dachte Sayla. Das
Fegefeuer unserer unheiligen Gefühle, die in ihrer eigenen Hitze
verbrannt sind. Auch K'iin blieb nicht davon verschont. Es hat ihn
verändert. Die Härte seiner Seele, die Verkrustungen und
Narben eines ganzen Lebens sind aufgeweicht.
Er ist nicht mehr der K'iin aus dem Gasthaus zum Weinenden Gott.
Er ist jetzt der, der er immer hätte sein können, wäre
das Leben weniger grausam zu ihm gewesen. Er war nicht
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