PR TB 248 Geiseln Der Sterne
Nachbarhäuser, so
daß man sich der Illusion hingeben konnte, allein in dieser
Wildnis zu sein. Man konnte auf die Jagd gehen, in den nahegelegenen
Bächen und fischreichen Gewässern angeln oder baden, und
wem das zu anstrengend war, der konnte einfach in den Tag hineinleben
und faulenzen.
Natürlich hatte man dem Rechnung getragen, daß der Reiz
des Neuen, also auch der scheinbaren Einsamkeit, rasch verflog. Die
Unterkünfte waren mit allem Komfort ausgestattet, also auch mit
TV- und Videogeräten, und es gab ein Unterhaltungs- und
Vergnügungszentrum, in dem der als Animateur ausgebildete
»Bürgermeister« wohnte.
Die Gestaltung der Freizeitzentren war unterschiedlich. So gab es
WildwestStädte mit Blockhäusern und Saloons, futuristische
Anlagen, Häuser im Landhausstil des 20. Jahrhunderts,
Miniaturburgen und sogar Unterwassersiedlungen. Am exotischsten war
ein Riesengebilde, das dem legendären Atomium in Brüssel
glich. Alle Wohnkugeln wurden durch Röhrengänge miteinander
verbunden, in denen eine künstlich verminderte Schwerkraft
herrschte. Besonderen Zuspruch fand hier das
Aero-Antigravitations-Schwimmbad. Durch Schleusen gelangte man in
einen großen Kuppelraum, in dem Schwerelosigkeit herrschte.
Mehrere tausend Liter Wasser schwebten einfach in der Luft und
sorgten für einen Badespaß ganz besonderer Art.
»Tiger-Village« bestand aus fünfundvierzig
Gebäuden, die überdimensionalen Bienenkörbchen
glichen. Der Gag daran war, daß sie nicht in horizontale Etagen
aufgeteilt waren, sondern daß sich die Wohnungen bis in knapp
zehn Meter Höhe erstreckten. Antigravs verbanden die
übereinanderliegenden Zimmer miteinander; jedes Appartement
hatte seinen eigenen Eingang.
Ein Funkgespräch mit dem Verwalter hatte ergeben, daß
das fragliche Haus derzeit unbewohnt war. Zwar war eine Wohnung
vermietet, aber seit Tagen nicht mehr betreten worden; das ergab ein
Datenabruf bei der Versorgungseinheit. Man war also nicht gezwungen,
in aller Heimlichkeit vorzugehen.
Drei Gleiter näherten sich dem »Raubtier-Dorf«.
Zwei waren deutlich als Polizeischweber gekennzeichnet, der dritte
trug das Emblem der Solaren Abwehr. Alle drei hielten auf Haus Nr. 43
zu und landeten auf dem reichlich bemessenen Abstellplatz.
Acht Uniformierte und zwei Kampfroboter verließen die
Flugkörper und schwärmten aus; sie bildeten einen
Absperring um das Gebäude. Ihnen oblag es in erster Linie,
Neugierige fernzuhalten und dafür zu sorgen, daß die
Männer der Solaren Abwehr ungestört blieben.
Drei Zivilisten und zwei Roboter näherten sich dem Eingang,
über dem ein großes »C« prangte. Die eine
Maschine war eine skurril geformte Spezialkonstruktion, die nur noch
wenig Ähnlichkeit mit ihren Erbauern hatte, die andere war ein
ganz ordinärer Automat, der ein Schirmfeldportable schleppte und
einen großen Leichtmetallkoffer.
Bevor die kleine Gruppe die Tür ereichte, drang aus einem
nahen Gebüsch ein zorniges Fauchen, gleich darauf schnellte sich
der helle Schatten einer großen Raubtierkatze auf die
grasbewachsene Fläche und jagte mit weiten Sprüngen auf die
Agenten zu.
Einer der Polizisten riß eine langläufige Waffe hoch,
visierte kurz und drückte ab. Ein leiser Knall war zu hören.
Wie vom Blitz gefällt, brach das Tier zusammen und blieb liegen.
Der Schütze trat zu dem Raubtier mit dem sandfarbenen,
gefleckten Fell, berührte es mit der Stiefelspitze und wandte
sich dann befriedigt ab.
Ob die Großkatze echt oder synthetisch war, ließ sich
nicht erkennen. Bei der einem altertümlichen Gewehr ähnelnden
Waffe handelte es sich um eine Sonderanfertigung, die ausschließlich
auf FUN Verwendung fand. Sie verschoß winzige Kapseln mit einem
starken Narkotikum, das auf der Stelle wirkte; gleichzeitig wurden
unhörbare Signale gesendet, auf die ein besonderer Schalter der
Steuerpositronik ansprach und die Energiezufuhr für fünfzehn
Minuten unterbrach. Die Wirkungsdauer des Medikaments war ähnlich
lang. Durch die Kombination von Pharmazeutikum und Funkimpulsen war
gewährleistet, daß ein Angreifer auf jeden Fall außer
Gefecht gesetzt wurde, egal, ob es sich nun um ein wirkliches Tier
oder einen animalischen Roboter handelte.
Der eigenartig gestaltete, Hektor genannte Automat hatte sich
durch den Zwischenfall nicht stören lassen. Nur fünfzehn
Sekunden lang widerstand ihm das positronische Schloß, dann
schwang die Tür zurück. Automatisch ging das Licht an, und
auch die Versorgungseinrichtungen aktivierten sich
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