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PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten

PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten

Titel: PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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mit dem Wind, der aus den tiefsten Schächten der Vergangenheit bläst, alle Segel gebläht vom Totensturm.
    Unter ihren Füßen längst Schnee, glitzernder Firn. Sie brach nicht ein, sie glitt über Firn und das anschließende Firnfeld des Gletschers wie eine Eisläuferin.
    Sie erreichte den Gipfel, eine wie mit dem Vibratormesser geschnittene, ebene Fläche, nicht ganz drei Meter im Durchmesser. Sie schaute auf den Chronometer an ihrem Handgelenk. Sie hatte keine halbe Stunde für den Aufstieg gebraucht. In welche Höhe? 6000 Meter? 7000 Meter?
    Nicht schlecht, dachte sie. Für einen ungeübten Bergsteiger unmöglich, aber nicht schlecht. Was geschieht hier?
    Sie war nicht außer Atem. Sie atmete tief und gleichmäßig. Müsste die Luft nicht dünner sein? Müsste es nicht eisig sein hier, umgeben vom ewigen Schnee? Sie fror nicht. Sie schaute sich um. Noch immer lag ein schwarzes Wolkenfeld über dem Sektor Caepann-Land. Der Blick auf das Nechtan-Meer dagegen war frei.
    Der Pier erstreckte sich etwa 30 Kilometer weit in den tintenblauen Ozean. Weit dahinter, genau auf der Horizontlinie, dort, wo die Nacht begann, befanden sich zwei Inseln. Die eine schien in Flammen zu stehen. Sie glühte in einem düsteren Rot. Die andere grün und grau wie ein von allen unberührtes Eiland.
    Caadil Kulée hatte keinen Zweifel, dass es Techid Hoel und Besseriu sein mussten, die Inseln der Sidhees. Warum hatte sie die beiden Inseln nicht im Bildschirm des Hypergleiters sehen können? Ein Akt der Zensur, ein technischer Defekt?
    Sie setzte sich, legte den Wanderstab neben sich. Überfallartig verschlug ihr die Kälte den Atem; schnitt ihr in die Haut; die Luft schien erschöpft und unbrauchbar. Die Welt verwackelte, überzog sich mit einem grauen Schleier. Ihre linke Hand pochte, als hätte sich etwas darin festgebissen. Sie griff in Not nach dem Wanderstab. Das Pochen beruhigte sich sofort. Die Luft war wieder süß und reichhaltig. Ihr war warm.
    Sie zog die Knie an die Brust, ohne den Stab aus der Hand zu legen. Sie betrachtete abwechselnd den Stab und die fernen Inseln der Sidhees. Sie versuchte, das Verwirbeln ihrer Gedanken zu stillen, sie sagte sich immer wieder: Alles ist gut.
    Nichts war gut.
    Sie stand auf, hob den Stab, wog ihn in den Händen. Holz, was sonst.
    Alles andere als Holz.
    Sie stampfte damit auf den Boden, einmal, zweimal, wie die Zeremonienmeisterin eines abwegigen Ritus. Ich will es wissen, dachte sie.
    Sie setzte Schritt um Schritt, drei Schritte, vier, sah sich um: Der Gipfel lag hoch über ihr, in weiter Ferne. Rechts neben ihr der nackte Fels, links der Abgrund. Ich werde nicht stürzen. Sie stellte sich mit dem Gesicht zur Felswand. Sie setzte die Spitze des Wanderstabs an den Fels, holte tief Luft und tat einen weiteren Schritt.
    Es war, als öffnete der Stab ihr eine unsichtbare, schmale Fuge, nicht mehr als schulterbreit. Ein sanfter Luftzug, ein steinernes Wehen, ein nie geschmeckter Ton in ihrem Mund, ein schweres, pressendes Licht auf ihren Augen. Sie ging voran, durch die unwirkliche Bresche, die der Stab ihr schlug.
    Mitten durch das massive Gestein. Weiter, immer weiter.
    Plötzlich öffnete sich der Fels wie eine tranige Nebelwand, wie mineralische Schwaden. Sie stand im Freien, vor ihr nur Abgrund. Sie riss den Stab hoch, hielt ihn mit beiden Händen wie eine Balancierstange. Ich drehe mich um. Ich trete zurück ins Gestein.
    Sie tat es nicht. Ihre rechte Hand ließ den Stab zögernd los. Mit der linken setzte sie ihn ins Leere. Und er fand Halt in der Leere.
    Sie tat einen Schritt, zwei. Sie stand in der Luft. Sie schloss die Augen, öffnete sie wieder. Sie stand hoch in der Luft. Unter ihr die Lichter der Stadt, die den Kontinent überzog. Über ihr der Jademond Donn.
    Sie betrachtete ihn nachdenklich.

Schema
    Die Welt um ihn erwachte aus einer bodenlosen Versunkenheit und blühte auf in einem minzblauen, nachhallenden, meeresfrischen Licht. »Träumst du?«, fragte Amtum.
    »Stör mich nicht, ich träume«, versetzte er.
    Amtum faltete sein Sprechohr zu einem spöttischen Kommentar. »Du bist im Dienst«, sagte er mit seiner Amtsstimme. »Und du hast nicht einmal deine Tiefenraummaske auf.«
    Er stutzte. Amtum hatte ja recht. Das war wirklich ein schwerwiegendes Versäumnis. Unfasslich. Das ist, weil ich träume, dachte er. Dennoch griff er nach der Tiefenraummaske, klemmte sie auf und fixierte sie. Wie immer wirbelte es ihm die Sinne kurz durcheinander, ein blindsüßer Taumel, dann

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