PR2617-Der dunkelste aller Tage
einigen Jahrtausenden als ewiger Zweiter hast du es geschafft. Was empfindest du? Bist du ... zufrieden?
Artist neun schob sich wieder in den Vordergrund. War das noch der Drang ihres Kindes nach Anerkennung? Die zierliche Robotikerin wiegte den Kopf. Vertragt euch! Das Leben ist zu kurz für Streit, mahnte sie.
»Manchmal wird aus Spiel bitterer Ernst!«, hörte sie den Residenten behaupten. »Ewig habe ich den Zweiten gespielt – nun beginnt für mich der Ernst des Lebens. Ich bin alt genug, um diesen Schritt zu wagen.«
Hatte Bull das tatsächlich gesagt? Oder bogen die Medien einmal mehr ihre eigene Wahrheit zurecht? Zanabazar entsann sich nur, dass ein Satiremagazin diese Szene nach Bulls Amtseinführung verbreitet hatte und seitdem irreal hohe Zugriffswerte verzeichnete. Aber vielleicht war gerade das glaubwürdig. Wenn schon ihre Robotkreation menschliche Züge entwickelte, keineswegs programmiert, sondern technisch-evolutionär, als wäre dies der Beginn einer eigenartigen Entwicklung ...
Toja griff nach den virtuell freigelegten Kunst-Synapsen. Mit zwei Fingern zwickte sie die neu gewachsenen Verbindungen ab. Was sie tat, geschah zeitgleich im Innern des Schichtensensors, nur vollzogen dort präzise Energieskalpelle jeden Schnitt im atomaren Bereich.
Vier der veränderten Synapsen wurden separiert und in ein emissionsfreies Transportfeld gepackt.
Ein Mitteilungsfeld leuchtete auf. Bereit zur Analyse.
*
»Besuch, Toja«, flüsterte ein Stimmchen neben ihrem Ohr. Ihr knappes Nicken löste das Akustikfeld sofort wieder auf, andernfalls wäre die Mitteilung wiederholt worden.
Jemand näherte sich dem Büro. Toja Zanabazar warf einen raschen Blick in die Runde. Keine verräterischen Holos standen geöffnet im Raum. Ihrer Karriere wäre es wenig förderlich gewesen, wäre ein Mitglied des Whistler-Clans über ihre Nebentätigkeit gestolpert. Schließlich hatte Toja alles darangesetzt, genau das zu verbergen.
Ihre Eigenmächtigkeiten in der Forschung und im Entwicklungsprozess hatten Whistler nur bis zu einem gewissen Grad imponiert. Danach hatte sie den ehrenvollen Posten der Museumsdirektorin erhalten. Gut dotiert, zweifellos, in dieser Hinsicht konnte Toja sich nicht beklagen – nur leider staubtrocken. Eine Zeit lang hatte sie so ziemlich alles im Museum umgekrempelt ...
... und sich danach wieder auf ihre Fähigkeiten besonnen, als sie darangegangen war, die Abteilung Artistische Positronik auf Vordermann zu bringen.
Pollux betrat das Büro.
Toja lachte ihrem Assistenten entgegen. Er war ein Allrounder, wenn auch nur grob menschenähnlich. Seine Arme und Beine waren zwar angedeutet, doch keineswegs beweglich. Was zu tun war, erledigte Pollux mit hochkomplexen Prall- und Traktorfeldern, die ihm Zugriff bis auf mikrofeine Strukturen erlaubten. Schon in dieser Hinsicht war er jedem Lebewesen überlegen.
Pollux schwebte ins Büro.
Er registrierte Zanabazars missbilligenden Augenaufschlag, denn sein Aussehen veränderte sich. Eben noch war seine Gesichtsstruktur in dem zwanzig Zentimeter durchmessenden Kopf-Ellipsoid lediglich angedeutet gewesen, schon legte sich die Holoprojektion darüber. Als älterer Herr mit feinen Gesichtszügen und wallender weißer Mähne stand er der Robotikerin gegenüber. Seine roten Augen unterstrichen die vermeintlich arkonidische Abstammung.
»Ich störe ungern zu so später Stunde.« Sein Blick heischte um Nachsicht. »Aber manchmal gibt es Dinge, die unaufschiebbar sind.«
Toja Zanabazar blickte den Roboter irritiert an. »Etwas weniger rätselhaft wäre angebracht«, mahnte sie.
»Natürlich.«
Der Roboter streckte den rechten Arm aus, auch das nur eine Projektion, und hielt Toja die flache Hand entgegen. Ein kleines elfenbeinfarbenes Kärtchen hielt er zwischen den Fingern.
Bevor Toja danach greifen konnte, stieg es von selbst in die Höhe, schwebte auf sie zu und verharrte vor ihrem Gesicht. Es drehte sich langsam und ließ erkennen, dass es beschrieben war.
»Von wem stammt das?«
»Die Karte ist mir zugeflogen.«
»Du meinst wirklich, zugeflogen? «
»Sie war plötzlich da und schwebte in der Luft – so wie jetzt.«
»Du hast niemanden gesehen, gehört oder geortet?«
»Leider nein«, antwortete Pollux. »Ich weiß, ich bin unvollkommen ...«
»Quatsch.« Toja Zanabazar fischte das Kärtchen aus der Luft. Sekundenlang hielt sie es unschlüssig zwischen Zeige- und Mittelfinger und bog es mit dem Daumen leicht um. Toja Zanabazar, stand auf
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